Der Referentenentwurf enthalte richtige Ansatzpunkte, z.B. zentrale Anlaufstellen am Krankenhaus, eine Ersteinschätzung von Notfallpatienten auf der Grundlage eines einheitlichen standardisierten Systems und die Einbindung des Rettungsdienstes in das Gesamtkonzept. Die Konstruktion der Integrierten Notfallzentren (INZ) sei jedoch nicht tragfähig.
„Zentrale Anlaufstellen und ein koordiniertes Vorgehen der Beteiligten können die Notaufnahmen der Krankenhäuser entlasten und eine medizinisch sinnvolle Inanspruchnahme der Notfallversorgung fördern. Wir halten es allerdings aus fachlicher und rechtlicher Sicht nicht für sinnvoll, wenn zur Zusammenarbeit des Notdienstes der Kassenärztlichen Vereinigung und der Notfallambulanz des Krankenhauses räumlich und wirtschaftlich abgegrenzte Einrichtungen errichtet und betrieben werden müssen“, heißt es in der Stellungnahme.
Mit einem solchen Konstrukt würde eine gänzlich neue Versorgungseinheit mit eigener Rechtsform entstehen. Abgesehen von den damit verbundenen rechtlichen Fragestellungen würde regionalen Erfordernissen und bereits vorhandenen, bewährten Strukturen sowie unterschiedlichen personellen Ressourcen kaum mehr Rechnung getragen werden können. INZ-Strukturen in der vorgesehenen Form würden neue Probleme schaffen, statt die bestehenden zu lösen, kritisiert der MB.
Änderungsbedarf sieht der Marburger Bund ebenso hinsichtlich der geplanten Auswahl der INZ-Standorte. Sollte Notfallversorgung nur noch an Krankenhäusern mit INZ stattfinden, würde das dem regionalen Versorgungsbedarf nicht gerecht werden. „Wenn zukünftig nur noch entfernte Integrierte Notfallzentren entscheiden sollen, wo und wie die Patienten behandelt werden, wird das zu erheblichen Engpässen mit langen Wartezeiten führen. Die Kapazitäten dieser Einrichtungen würden gar nicht ausreichen, die große Menge der Patienten zu versorgen. Dadurch entstünde zusätzlich eine starke Steigerung der Inanspruchnahme des Rettungsdienstes für Weiterverlegungen“, warnt der Verband der angestellten und beamteten Ärztinnen und Ärzte. Erforderlich seien daher gesetzliche Leitplanken, um eine für die Notfallversorgung ausreichende Zahl von Standorten zu gewährleisten.
Nach dem Referentenentwurf jedoch sollen solche Krankenhäuser ausgewählt werden, welche die Anforderungen der erweiterten Stufe 2 oder der umfassenden Stufe 3 der Notfallversorgung nach den Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses erfüllen. Das wären ca. 241 Standorte bundesweit. „Eine derart massive Begrenzung der ambulanten Notfallstrukturen geht zu Lasten der Patienten“, kritisiert der Marburger Bund.
Für rechtlich nicht haltbar und auch angesichts der geplanten Reduzierung der Versorgungsdichte verfehlt hält der MB den Vorschlag eines 50-prozentigen Vergütungsabschlags für ambulant erbrachte Akutversorgung durch Krankenhäuser, die kein INZ betreiben dürfen. „Vergütung ist die finanzielle Gegenleistung für eine erbrachte Leistung. Krankenhäuser und die darin tätigen Ärztinnen und Ärzte sind zur Abklärung von Notfällen rechtlich verpflichtet, sie können sich der Leistungserbringung nicht entziehen“, heißt es in der Stellungnahme.
Der MB fürchtet, dass die angestoßenen positiven Entwicklungen auf regionaler Ebene zum Erliegen kommen, sollte der Gesetzentwurf in der vorliegenden Form beschlossen werden. Die angestrebte Entlastung der Notaufnahmen der Krankenhäuser würde sich über Jahre hinauszögern. Die Frist von 18 Monaten für die Umsetzung von Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses beginnt mit der Verkündung des Gesetzes. Danach haben die Landesausschüsse weitere sechs Monate Zeit, die Standorte für die INZ festzulegen. Erst danach beginnen die Verhandlungen der regionalen KVen mit den ausgewählten Krankenhausstandorten. Das neue Notfallsystem würde also voraussichtlich frühestens gegen Ende des Jahres 2022 greifen können.
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