1) Was ist ein Streik?
Ein Streik ist eine gewerkschaftliche Kampfmaßnahme zur Erreichung tariflich regelbarer Ziele. Es handelt sich dabei um Arbeitsniederlegung. Man unterscheidet zwischen einem Warnstreik und einem Erzwingungsstreik. Der Unterschied liegt in der Regel in der Dauer und Intensität eines Streiks. Durch den naturgemäß befristeten Warnstreik soll Druck ausgeübt werden, um Tarifverhandlungen zu erzwingen oder aber festgefahrene Tarifverhandlungen zu beleben. Der Erzwingungsstreik als letztes Mittel soll dagegen grundsätzlich bis zur Erreichung des Kampfzieles geführt werden.
2) Warum dürfen Sie streiken?
Weil die Gewerkschaft Marburger Bund (Landesverband Hessen) zum Warnstreik der Ärztinnen/Zahnärztinnen und Ärzte/Zahnärzte am 4.2.2020 an den Standorten der Universitätskliniken Frankfurt, Marburg, Gießen aufgerufen hat.
3) Wer darf streiken?
Angestellte Ärztinnen und Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte, die unter die Tarifverträge des Marburger Bundes an den hessischen Universitätskliniken Hessen (Universitätsklinikum Gießen-Marburg, Klinikum der Goethe-Universität Frankfurt) sowie an der Carolinum Zahnärztliches Universitäts-Institut gGmbH fallen, weil sie überwiegend in der Krankenver-sorgung/Patientenversorgung tätig sind.
An einem Streik dürfen auch Nichtmitglieder der Gewerkschaft teilnehmen. Sie haben jedoch keinen Anspruch auf gewerkschaftliche Unterstützung, wie etwa Rechtsberatung rund um den Streik oder Streikgeld.
Nichtmitglieder daher schnell Mitglied werden! Hier geht´s zur Anmeldung: https://www.marburger-bund.de/hessen/landesverband/mitgliedschaft/mitglied-werden-aerzte
Nicht streiken dürfen: Ärztinnen/Ärzte (Zahnärztinnen und Zahnärzte), deren Arbeitsvertrag nicht unter den Geltungsbereich der Tarifverträge des Marburger Bundes fällt sowie Chefärzte oder beamtete Ärzte.
Fragen Sie im Zweifel die Juristen des MB Hessen (mail@mbhessen.de oder 069-7680010)!
Da Probezeitarbeitsverhältnisse ohne Nennung von Gründen vom Arbeitgeber gekündigt werden können, sollte eine Streikteilnahme dieser Beschäftigten wohl überlegt sein. Der Beweis, dass die Kündigung wegen der Streikteilnahme erfolgte, dürfte in der Regel nicht zu führen sein. Auch Ärztinnen/Ärzte, deren befristetes Arbeitsverhältnis kurz vor der Verlängerung steht, sollten eine Teilnahme abwägen. Im Zweifel sollten sich diese beiden Arztgruppen an der Sicherstellung der Notfallversorgung beteiligen. Da die Notfallversorgung eine zentrale Rolle spielt, ermöglichen sie dadurch den anderen streikwilligen Kollegen die Teilnahme am Streik.
Auch hier gilt:
Fragen Sie im Zweifel die Juristen des MB Hessen (mail@mbhessen.de oder 069-7680010)
4) Welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen hat eine Teilnahme am Streik?
Während des Streiks ruht der Arbeitsvertrag, und die jeweiligen Hauptpflichten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind aufgehoben. D.h. der Arbeitnehmer muss am Tag des Warnstreiks nicht arbeiten; aber bei Teilnahme am Streik besteht auch kein Anspruch auf Arbeitseinkommen. Da die gegenseitigen Hauptleistungspflichten aufgehoben sind, können die Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag auch nicht durch die Streikteilnahme verletzt werden. Allgemeine Drohungen des Arbeitgebers oder von Dienstvorgesetzten, man werde Sie persönlich haftbar machen, entbehren jeglicher Grundlage. Solange es sich um einen rechtmäßigen Streik handelt und der Notdienst eingerichtet ist, sind Sanktionen durch den Arbeitgeber genauso ausgeschlossen wie eine zivil- oder strafrechtliche Haftung des einzelnen Arztes. Dies gilt natürlich nicht bei Streikausschreitungen oder bei einer grundlosen Arbeitsverweigerung trotz bestehender Arbeitspflicht (z. B. bei rechtmäßiger Einteilung zum Notdienst). Es darf daher nicht zur Kündigung oder einer Abmahnung wegen einer Streikteilnahme kommen!
5) Was ist mit der Patientenversorgung am Streiktag?
Da Streik ein zulässiges Arbeitskampfmittel des Arbeitnehmers ist, muss er auch daran teilnehmen können. Dies gilt auch für Streiks in Betrieben der Krankenversorgung.
Die dringende Patientenversorgung soll über eine Notdienstbesetzung und ggfs. über eine Notdienstvereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und der Gewerkschaft mit Hilfe der örtlichen Streikleitung sichergestellt werden!
Wir haben den Kliniken hierzu den Abschluss einer solchen Notdienstvereinbarung angeboten. In Marburg und Gießen wird Mitte der Woche hierüber verhandelt; in Frankfurt hat sich die Arbeitgeberseite auf unser Angebot noch nicht geäußert. Sollte eine förmliche Notdienst-vereinbarung nicht zustande kommen, muss die Gewerkschaft über ihre Mitglieder vor Ort nur sicherstellen, dass eine Notdienstbesetzung auch im Haus verbleibt. In der Regel wird eine Personalbesetzung wie am Wochenende und Feiertag zur Abdeckung der Notfallversorgung gewährleistet. Der Arbeitgeber hat es hinzunehmen, dass das Elektivprogramm – auch das der Ambulanzen – ausfällt, oder sehr stark beschränkt ist. Die Notdienste sollen vorrangig nicht streikberechtigte Chefärzte und beamtete Ärzte besetzen. Darüber hinaus ist mit den örtlichen Streikleitern, ggfs. unter Hinzuziehung des Marburger Bundes Hessen festzulegen, wer im Rahmen der Notdienstbesetzung herangezogen wird. Sollten Anpassungen notwendig sein, wird hierüber mit dem Arbeitgeber verhandelt. Informieren Sie uns bei Besetzungswünschen, die weit von der Besetzung eines Wochenend- oder Feiertagsdienstes abweichen.
6) Wie läuft der Streik ab?
Nach Aufruf der Gewerkschaft erfolgt ein ganztägiger Warnstreik am 4. Februar 2020. Eine Kundgebung ist am Vormittag vor den jeweiligen Häusern geplant. Örtlichkeit und Uhrzeit wird noch mitgeteilt. Sprechen Sie mit den Kollegen über Ihre Teilnahme: Wer will streiken, wer kann, wer macht ggfs. Notdienst, wo trifft man sich zur gemeinsamen Kundgebung?
Praxistipp: Hat man erstmal zu arbeiten begonnen, dann ist es oft schwerer loszukommen; aber die Entscheidung, ob man z.B. noch mal in die Abteilung geht oder nicht, muss individuell getroffen werden.
Streikmaterialien? Kittel, Notarztweste, Adhäsionssticker, Plakate können bemalt werden. Informationen zu Streikmaterialien erhalten Sie über die Geschäftsstelle, oder bei den Mitgliederveranstaltungen. Am Streiktag ist es möglich, dass Sie von Patienten oder Vertretern der Presse angesprochen werden. Bereits im Vorfeld sollte man überlegen, ob oder wie man sich äußert. Natürlich dürfen Sie Ihren Arbeitgeber nicht in der Öffentlichkeit schlecht machen, Schmähkritik üben oder gegen Ihre Verschwiegenheitsverpflichtungen verstoßen.
7) Wer leitet den Streik?
Der Streik wird von der Geschäftsstelle Marburger Bundes Hessen organisiert und zusammen mit einer lokalen Streikleitung vor Ort an jedem Krankenhaus geleitet.
8) Bin ich verpflichtet, mich abzumelden oder mich oder meine Kollegen in Streiklisten des Arbeitgebers einzutragen?
Der Arbeitnehmer muss sich für eine Streikteilnahme nicht beim Arbeitgeber abmelden. Die Kundgabe der Streikteilnahme erfolgt in der Regel durch Nichtantritt der Arbeit, da außerhalb des Notdienstes keine Arbeitsverpflichtung und damit verbunden auch keine Dokumentationspflichten bestehen.
Daneben ist die Streikleitung befugt für alle Streikteilnehmer verbindliche Abwesenheitserklärungen abzugeben. Es empfiehlt sich aber eine Mittteilung der Streikteilnahme bei Absprachen mit den Dienstvorgesetzen zur Einteilung des abteilungsinternen Notdienstes.
Auch hier gilt:
Fragen Sie im Zweifel die Juristen des MB Hessen (mail@mbhessen.de oder 069-7680010)
Sollte die Arbeit vor der Streikteilnahme zeitweise aufgenommen worden sein, bzw. gibt es eine Zeiterfassung, und man hat sich dort beim Streiktag angemeldet, dann müssen Sie sich vor Streikteilnahme ausstechen oder abmelden. Es besteht keine Verpflichtung, sich selbst oder andere am Streik teilnehmende Kollegen in Listen einzutragen. Selbst Ärzte in der Notfallversorgung, die hierbei Weisungen von Vorgesetzten befolgen müssen, müssen keine Streiklisten führen, weil eine entsprechende Meldung nicht zur Behandlung von Notfällen gehört. Wird ein Arzt vom Arbeitgeber gefragt, ob er während der geschuldeten Arbeitszeit gestreikt hat, muss die Antwort aber wahrheitsgemäß sein.
9) Umgang mit Drohungen und Repressalien, auch in Bezug auf die Weiterbildung
Mitarbeiter dürfen durch ihre Streikteilnahme nicht benachteiligt oder unter Druck gesetzt werden. Dies gilt auch im Hinblick auf das Fortkommen in der Weiterbildung. Weiterbildungsbefugte Ärzte dürfen ihre Position nicht dazu nutzen, die Weiterzubildenden von der Teilnahme am Streik abzuhalten. Werden Nachteile bei der Weiterbildung als Folge der Streikteilnahme in Aussicht gestellt oder Ärzte, die am Streik teilgenommen haben, infolge dessen tatsächlich benachteiligt, kann dies die Eignung der Weiterbildungsstätte oder die erforderliche persönliche Eignung des Weiterbildungsbefugten in Frage stellen und damit die Ermächtigung. Hierbei handelt es sich auch um ein „unkollegiales“ Verhalten nach der Berufsordnung und könnte demensprechend bei Nachweisbarkeit von der Kammer geahndet werden. Melden Sie solche Fälle an Ihre örtliche Streikleitung oder direkt an den Marburger Bund Landesverband Hessen!
Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Geschäftsstelle des Marburger Bundes Hessen.