• „Betriebsratsarbeit ist gelebte Demokratie am Arbeitsplatz“

    Interview
    21.August 2023
    Hamburg
    Betriebsräte sind die gewählten Interessenvertretungen aller Mitarbeitenden. Im Interview erläutert Dr. Hans-Christoph Kühnau, warum sich das Engagement für Ärztinnen und Ärzte lohnt.
    Dr. Hans-Christoph Kühnau ist Betriebsratsvorsitzender an der Asklepios Klinik St. Georg
    Dr. Hans-Christoph Kühnau ist Betriebsratsvorsitzender an der Asklepios Klinik St. Georg

    Herr Dr. Kühnau, in vielen Krankenhäusern sind in den Betriebsräten keine oder nur wenige Ärztinnen und Ärzte vertreten. Warum ist das so?

    Dafür gibt es mehrere Gründe: Die jüngeren Kolleginnen und Kollegen haben meist befristete Arbeitsverträge. Der Arbeitgeber kann diese problemlos und ohne weitere Erklärung auslaufen lassen. Dadurch kann er indirekt politisches Engagement – sei es im Betriebsrat oder im Marburger Bund – sehr geschickt unterdrücken. Gerade Ärztinnen und Ärzte in der Weiterbildung fürchten deshalb Karrierenachteile. Hinzu kommt, dass wir im ärztlichen Bereich eine hohe Fluktuation haben, der Betriebsrat aber nur alle vier Jahre gewählt wird. Überdies erleben wir gerade die sehr bedenkliche Entwicklung einer zunehmenden Apolitisierung der Gesellschaft, die auch vor der Ärzteschaft nicht Halt macht. Politik ist eben nicht sexy und viele Ärztinnen und Ärzte haben große Berührungsängste, wenn es um ein Engagement im Betriebsrat geht. Das ist schade!

    Und was sind die Folgen?

    Ärztliche Aspekte werden nicht oder weniger berücksichtigt, ganz einfach. Dabei wäre das so wichtig. Der Betriebsrat ist beispielsweise immer dann involviert, wenn es um Arbeitsorganisation, -strukturen und -zeiten geht. Im Krankenhaus arbeiten nun mal verschiedene Berufsgruppen zusammen. Die ärztliche Perspektive sollte hier nicht fehlen – und die beschränkt sich nicht nur auf die Leitungssicht. Denn auch manche Chefärztinnen und Chefärzte haben mitunter nur eine rudimentäre Vorstellung davon, was ihre nachgeordneten Kolleginnen und Kollegen am Tag – und insbesondere auch nachts – so alles abarbeiten.

    Können Sie ein konkretes Beispiel nennen, wie der Betriebsrat angestellte Ärztinnen und Ärzte unterstützt?

    Der Betriebsrat sorgt beispielsweise dafür, dass Gesetze oder Tarifverträge zu Gunsten der Arbeitnehmer eingehalten und umgesetzt werden. Das setzt voraus, dass man sich mit diesen Themen intensiv auseinandersetzt. Beim TV-Ärzte/VKA geht es aktuell darum, die Umsetzung der Dienstplansicherheit zu gewährleisten. In Hamburg ist der 1. August hierfür das Startdatum und somit hätte der Arbeitgeber spätestens zum 30. Juni die Dienstpläne aufgestellt haben müssen. Daran musste man ihn schon mal erinnern und jetzt gilt es, sichere und transparente Regelungen in den einzelnen Häusern zu treffen.

    Eine weitere besondere Herausforderung steht zum 1. Januar 2024 an: Dann werden die Höchstgrenzen von Bereitschaftsdiensten und die Kombination mit Rufbereitschaften scharfgeschaltet. Bis dahin fällt viel Arbeit an, denn mit den bisherigen Personalschlüsseln und Arbeitszeitmodellen werden einige Abteilungen ganz einfach keine tarifvertragskonformen Dienstpläne mehr zustande kriegen können. Wir als Betriebsräte sind hier in der Verantwortung, den Arbeitgeber mittels unserer Beratungs- und Mitbestimmungsrechte dazu zu bringen, dass es nicht zu solch einem Worst-Case-Szenario kommt. Schlimmstenfalls liegt es an uns, zu eskalieren und, falls sich keine interne Regelung finden lässt, beispielsweise auch das Amt für Arbeitsschutz einzuschalten.

    In vielen Krankenhäusern ist die finanzielle Lage sehr angespannt. Befürchten Sie, dass möglicherweise auch Arztstellen abgebaut werden?

    Aufgrund des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes werden die Personalkosten der Pflege nicht mehr über die Fallpauschalen finanziert. Somit kann an ihr nichts mehr eingespart werden und alle Krankenhausbetreiber, aber insbesondere die privaten, versuchen konsequenterweise, Personalkosten und damit Personal in den anderen Berufsgruppen einzusparen. Das kann dazu führen, dass deren Arbeit (z.B. Krankentransport) an die Pflege delegiert wird. Auch jede Arztstelle wird derzeit sehr kritisch überprüft. Unsere Aufgabe als Betriebsräte ist es dann, darauf zu achten, dass es durch derartige Sparmaßnahmen nicht zu Gesetzes- oder Tarifvertragsverstößen kommt – zum Beispiel bei den Dienstzeiten. Und wenn doch, sind wir gefordert, tätig zu werden. Gleichzeitig sollten wir aber auch bedenken, dass nicht jede Abteilung einen Nachtdienst braucht und nicht jede Blutentnahme von einer Ärztin oder einem Arzt gemacht werden muss. Die Frage der Zukunft wird sein, was wirklich ärztliche Aufgabe ist und wo und wie ärztliche Expertise sinnvoll eingesetzt werden kann.

    Zum Schluss: Warum sollten sich junge Ärztinnen und Ärzte angesichts zahlreicher Herausforderungen – erst recht – in den Betriebsräten engagieren?

    Es geht um unsere Arbeitsbedingungen. Das kaufmännische oder IT-gesteuerte Denken entspricht nicht immer dem ärztlichen Denken. Nur wenn ich unter guten Bedingungen – selbstbestimmt und zufrieden – arbeiten kann, bleibe ich auch gesund und steuere nicht in ein Burn-out.

    Betriebsratsarbeit ist gelebte Demokratie am Arbeitsplatz. Wer unsere Demokratie erhalten will, der muss sich auch für sie einbringen.