Sie sind seit 2018 Geschäftsführerin des MB Hamburg und beraten auch Mitglieder in Arbeitsrechtsfragen. Mit welchen Anliegen wenden sich Mitglieder am häufigsten an Sie?
Viele Mitglieder kommen mit arbeitszeitrechtlichen Fragen zu uns. Da geht es z.B. um Überstunden oder welche Wochenarbeitszeit zulässig ist.
Dann erhalten wir auch viele Anfragen im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft. Wie berechnet man die Lohnersatzleistung, z.B. den Mutterschutzlohn in Zeiten eines Beschäftigungsverbots? Hier erleben wir immer wieder, dass es zu Falschberechnungen zu Ungunsten unserer Mitglieder kommt. Oft haben Mitglieder auch Fragen in Bezug auf ein betriebliches Beschäftigungsverbot während der Schwangerschaft oder beim Wiedereinstieg nach der Elternzeit. Denn häufig sind Ärztinnen während ihrer Schwangerschaft noch in der Weiterbildung und deshalb haben sie auch ein besonderes Interesse daran, normal weiterzuarbeiten.
Und schließlich erhalten wir regelmäßig Arbeitsverträge zur Prüfung. Diese kommen zunehmend aus dem ambulanten Bereich, wo es keine Standard-Arbeitsverträge gibt, die auf einen Tarifvertrag verweisen. Es lohnt sich, vor Vertragsunterzeichnung zu uns zu kommen – auch in Bezug auf das Gehaltsniveau haben wir einen guten Überblick.
Haben Sie in den letzten Jahren eine Zunahme an Arbeitsrechtsverletzungen in Hamburger Kliniken wahrgenommen?
Die letzten zweieinhalb Jahre waren von der Corona-Pandemie geprägt. Gerade zu Beginn der Pandemie häuften sich die Missachtungen des Arbeitsrechts, insbesondere des Arbeitszeitrechts. Und diese Missachtung wurde oftmals mit einer durch die Pandemie verursachten Notlage gerechtfertigt, als ob Recht und Gesetz dann außer Kraft gesetzt wären.
In dieser Zeit hatten wir einen sehr hohen Beratungsaufwand, weil es eine solche Situation vorher noch nicht gab. Mitglieder stellten vermehrt Fragen wie „Kann der Arbeitgeber mich einfach aus dem Urlaub zurückholen?“ oder „Darf er eine Urlaubssperre verhängen?“. In anderen Abteilungen, die in dieser Zeit weniger zu tun hatten, häuften Ärztinnen und Ärzte hingegen unfreiwillig Minus-Stunden an. Erfreulicherweise nehmen unsere Mitglieder – besonders die jüngeren Ärztinnen und Ärzte – nicht mehr einfach alles hin, sondern wehren sich verstärkt.
Wie können Sie Mitgliedern helfen, wenn beispielsweise Überstunden nicht bezahlt werden?
Wir beraten das Mitglied über die Rechtslage und klären u.a. über die Erfolgsaussichten auf. Im Fall der Überstunden weisen wir insbesondere auf die Beweislastverteilung hin, denn das Mitglied muss Mehrarbeit auch belegen können.
Wir raten grundsätzlich dazu, dass das Mitglied die Ansprüche zuerst selbst geltend macht, sofern dies nicht bereits geschehen ist. Unsere Erfahrung zeigt, dass das oft förderlicher ist, um eine Lösung zu erreichen als gleich ein anwaltliches Schreiben zu versenden. So bekommt der Arbeitgeber die Möglichkeit, „gesichtswahrend“ seinen Fehler zu korrigieren.
Wenn das jedoch nicht hilft und auch ein anwaltliches Schreiben mit Zahlungsforderung und Fristsetzung ergebnislos bleibt, können wir die Ansprüche für das Mitglied gerichtlich geltend machen und Klage erheben.
Was gibt es hier zu beachten?
Als Mitglied im Marburger Bund muss man keine Anwaltskosten übernehmen, weil die Prozessvertretung durch unsere Verbandsjuristinnen und -juristen in der Mitgliedschaft inbegriffen ist. Was die gegnerischen Anwaltskosten angeht, ist es in der ersten Instanz beim Arbeitsgericht so, dass man diese nicht übernehmen muss, selbst wenn man den Prozess verliert. Das wäre erst in der zweiten Instanz der Fall.
Die Gerichtskosten schließlich sind vollumfänglich nur dann zu tragen, wenn es zu einem Urteil kommt, das für das Mitglied negativ ausgeht (wenn ein Mitglied also klagt und die Klage abgewiesen wird). Doch beim arbeitsgerichtlichen Prozess gibt es im Laufe des Verfahrens immer die Möglichkeit auszuloten, wie das Gericht die Erfolgsaussichten einschätzt. Und so kann man jederzeit auf eine Einigung im Vergleichswege hinarbeiten oder die Klage zurücknehmen, in welchem Fall keine Gerichtskosten anfallen oder diese deutlich reduziert werden.
Haben Sie zum Schluss noch einen Tipp für Mitglieder, damit sie für eventuelle arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen gut vorbereitet sind?
Neben der bereits erwähnten Beweislast sollten Mitglieder die Ausschlussfrist bedenken, die in nahezu allen Tarif- und Arbeitsverträgen enthalten ist. Das bedeutet, dass finanzielle Ansprüche sechs Monate nach Fälligkeit verfallen. Wenn man sich nicht rechtzeitig darum kümmert, dass z.B. die Überstunden von Januar ausbezahlt werden, kann das im Oktober schwierig werden.
Vielen Dank für das Gespräch!