Wann wurde Ihnen so richtig bewusst, dass der Klimawandel weitreichende Folgen für die Gesundheit hat? Gab es einen „Aha-Moment“ in Ihrem Leben?
Schon in der Schulzeit beschäftigte ich mich im Rahmen eines Klimaprojekts mit dem Thema Klimawandel. Am Anfang meines Medizinstudiums war das Thema dann nicht mehr so präsent. Doch mit der Bewegung „Fridays for Future“ wurde ich durch meinen Freundeskreis wieder stärker dafür sensibilisiert. Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen, dass sich die Klimakrise auf die Gesundheit auswirkt, weil alles zusammenhängt.
Das Konzept „Planetary Health“ befasst sich mit diesen Zusammenhängen. Kommt das auch in Ihrem Studium vor?
Hier in Hamburg ist es noch nicht Teil des Pflicht-Curriculums. Ich hatte bisher nur eine 45-Minuten-Vorlesung der Umweltmedizin zum Thema Klimawandel. Es gibt jedoch Wahlpflichtbereiche, die darauf eingehen und großartige Arbeit leisten. Bei „Health for Future“, deren Ortsgruppe in Hamburg ich mitgegründet habe, setzen wir uns dafür ein, dass „Planetary Health“ mehr Raum im Medizinstudium bekommt.
Warum sollten sich Ärztinnen und Ärzte denn überhaupt damit auseinandersetzen?
Ich glaube, die Ärzteschaft hat ein großes Potenzial, die Idee von „Planetary Health“ in die Bevölkerung hereinzutragen. Denn Ärztinnen und Ärzte genießen in der Öffentlichkeit viel Vertrauen und haben zudem Kontakt zu allen Gesellschaftsschichten. Wenn Menschen begreifen, dass die Klimakrise ihre eigene Gesundheit gefährdet, ist die Bereitschaft zur Veränderung auch größer. Wir brauchen keine Verbote, sondern eine Motivation: Was dem Klima guttut, tut auch mir gut!
Gleichzeitig geht es beispielsweise in der Allgemeinmedizin darum, vulnerable Patientinnen und Patienten auf Risiken hinzuweisen und ihnen Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie sich besser schützen können.
Ganz konkret: Was können Ärztinnen und Ärzte Ihrer Meinung nach für mehr Klimaschutz tun?
Der Gesundheitssektor trägt mit rund 5 Prozent der Emissionen zum Klimawandel bei. Hier gibt es also noch großes Einsparpotenzial. Ein Großteil dieser Emissionen kommt von den Gebäuden und dem Betreiben der Krankenhäuser. Aber auch die ärztlichen Versorgungswerke können zum Beispiel durch gezieltes Divestment aus klimaschädlichen Anlagen etwas bewegen.
Natürlich kann jede Ärztin und jeder Arzt vor der eigenen Tür kehren und schauen, wie die Klinik oder Praxis noch umweltfreundlicher werden kann. Das gilt auch für einzelne Fachbereiche: Narkosegase, die beispielsweise in der Anästhesiologie eingesetzt werden, haben sehr unterschiedlichen Treibhausgaswirkungen. Und so wie es z.B. Hygienebeauftragte gibt, braucht es eben auch Klimabeauftragte. Oft gibt es keine perfekten Lösungen, aber man muss Prozesse, so wie im Qualitätsmanagement üblich, immer wieder hinterfragen – und dabei die positive Vision von einer gesunden Zukunft nicht aus dem Blick verlieren.
Vielen Dank für das Gespräch!