Frau Dr. Bullmann, was sind aus Ihrer Sicht die Vorteile, ambulant angestellt zu sein?
Ich kann mich mehr auf die medizinische Arbeit mit den Patientinnen und Patienten konzentrieren. Einige organisatorische Aufgaben im Personalbereich oder Management kann ich abgeben und muss mich beispielsweise nicht um jeden Vertrag selbst kümmern. Gerade für Frauen ermöglicht die angestellte Tätigkeit im ambulanten Bereich oft mehr Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung, als wenn man eine Praxis selbstständig führt.
Die Zahl der angestellt tätigen Ärztinnen und Ärzte im ambulanten Bereich nimmt stetig zu. Haben Sie den Eindruck, dass dieser Wandel im ambulanten Bereich ausreichend in der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg abgebildet wird?
Tatsächlich fühle ich mich als angestellte Ärztin von der KVH oft abgelehnt und finde, dass die derzeitige KV-Vertreterversammlung unsere Interessen überhaupt nicht vertritt. Man hört immer wieder heraus, dass nur der selbstständig niedergelassene Arzt der gute Arzt ist.
Es wird meines Erachtens in der KVH viel zu wenig wahrgenommen, wie sich die Motivation in den Arztberuf zu gehen in den letzten Jahren gewandelt hat – und sich weiter verändern wird. Viele junge Ärztinnen und Ärzte berichten mir, dass sie eine Anstellung bevorzugen. Denn als Ärztin selbstständig zu sein, ist bekanntermaßen auch ein unternehmerisches Risiko, was nicht jede und jeder tragen möchte. Ich habe von der KVH aber noch nie gehört, dass MVZs eine Lösung sein könnten. Dabei könnten doch ambulante Facharzt- oder Hausarzt-Zentren in Bereichen, die nicht gut versorgt sind, einen wichtigen Beitrag leisten.
Sie haben sich für die „Kooperative Liste Marburger Bund“ aufstellen lassen. Was motiviert Sie dazu?
In der Vertreterversammlung der KVH sind zurzeit fast ausschließlich selbstständig Niedergelassene vertreten. Und weil ich meine Interessen und die meiner angestellten Kolleginnen und Kollegen nicht vertreten sehe, will ich nun selbst aktiv werden. Dabei geht es nicht nur um die Angestellten in größeren Einrichtungen, sondern beispielsweise auch um die Ärztin in Weiterbildung, die in einer internistischen Praxis angestellt ist. Ich denke, dass wir angestellten Ärztinnen und Ärzte gute Ideen und neue Ansätze haben, die wir einbringen können, auch wenn die KV-Arbeit sicherlich manchmal mühsam und der Handlungsspielraum begrenzt ist.
Und mir ist es wichtig, dass Frauen besser repräsentiert werden. Da viele von ihnen auf Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung angewiesen sind, ist ihr Anteil unter den angestellten Ärztinnen und Ärzten vermutlich noch höher, als er unter den Ärztinnen und Ärzten insgesamt schon ist.
Gibt es noch weitere Themen, für die Sie sich einsetzen wollen?
Digitalisierung! Wir leben diesbezüglich hinter dem Mond, das muss man leider so sagen. Wir haben keine modernen Kommunikationsstrukturen. Ich kann der Apotheke ein Rezept, das sie braucht, nicht digital übermitteln – es ist nicht möglich, ich muss es faxen. Und auch dafür brauche ich das schriftliche Einverständnis des Patienten. Systeme, die das ersetzen sollen, sind seit Jahren angekündigt und bis heute in der Praxis nicht funktionstüchtig. In diese analoge Kommunikationsstrategie fließt so viel unnötige Arbeitszeit und wertvolle Kapazitäten werden verschwendet. In unserem Facharzt-Zentrum versuchen wir überall, wo es möglich ist, zu digitalisieren, aber es gibt dafür häufig eben keine fertigen Vorlagen – oft muss man es selbst entwickeln. Deshalb hoffe ich sehr, dass wir dieses Thema in der KV Hamburg endlich angehen können.
Zum Schluss: Warum sollten Mitglieder der KV Hamburg die „Kooperative Liste Marburger Bund“ wählen?
Ganz einfach – damit sich die Situation für die angestellten Ärztinnen und Ärzte im ambulanten Bereich verbessert!