Nach der ausführlichen politischen und rechtlichen Würdigung durch den Ersten Vorsitzenden Rudolf Henke und den Leiter des Referats Tarifpolitik, Christian Twardy, wurde eine von der Verbandsspitze bereits ausgehandelte Vereinbarung mit der Gewerkschaft ver.di von den Delegierten einstimmig angenommen. Durch eine sogenannte "tarifdispositive Abrede" zwischen beiden Gewerkschaften kann künftig eine Verdrängung des jeweils anderen Tarifvertrags verhindert werden. Diese Abrede soll demnach von beiden Seiten mit den Arbeitgebern tarifiert werden und ist ihrerseits auch bestreikbar. Die Delegierten legten dabei in ihren Redebeiträgen besonderen Wert auf die Feststellung, dass das unabhängige Handeln der beiden Gewerkschaften für ihre Mitglieder innerhalb eines Betriebs nicht nur in keiner Weise beeinträchtigt, sondern vollumfassend erhalten bleibt. Dafür gibt es ebenfalls einen juristischen Fachbegriff, nämlich "gewillkürte Tarifpluralität" (also: "Wir wollen das so").
Priorität: Gesetz abschaffen
Aber die Hauptversammlung machte ebenso unmissverständlich klar: Die komplette Abschaffung des Tarifeinheitsgesetzes hat für den Marburger Bund oberste Priorität. Eine große Mehrheit der Delegierten sprach sich nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch für eine Ausschöpfung des Rechtswegs durch Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aus.
Im weiteren Verlauf wurde eine Satzungsänderung zur Kooptierung des Vorsitzenden des Sprecherrats der Medizinstudierenden in den Bundesvorstand verabschiedet, da Studierenden die gewünschte Mitwirkung in diesem Gremium - anders als den ordentlichen Mitgliedern - nur so möglich ist. Ferner wurde ein neues Wahlverfahren für die Beisitzer verabschiedet.
Ausblick auf Tarfipolitik
Der erweiterte zeitliche Rahmen der Veranstaltung tat insgesamt gut, wenngleich manche Delegierte den frühen Beginn am Freitag nicht realisieren konnten. Dennoch befasste sich die beschlussfähige Versammlung schon am Freitag mit mehreren TOPs des zweiten Tages, darunter allen haushaltsrelevanten Beschlüssen. Somit stand am Samstag angenehm viel Zeit zur Verfügung. Neben dem Bericht des Ersten Vorsitzenden und den Ehrungen (darunter der Verleihung des Ehrenreflexhammers an Dr. Udo Wolter aus Brandenburg) fand ein Ausblick auf die Tarifpolitik der kommenden Jahre großen Anklang. Auch die hessische Delegation begrüßte das geplante Ziel einer Überarbeitung der Tarifmäntel mit Reduzierung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit.
Im weiteren Verlauf nahm die Beratung verschiedener Anträge mehr Raum ein, so dass ausführlich etwa über die Themen Notfallversorgung, Entlassmanagement, Gesundheitsfachberufe oder PJ-Vergütung diskutiert werden konnte. Aus hessischer Sicht war dieser Tag ebenfalls erfreulich und es konnten zwei unserer Anträge, die auf eine verbesserte Vorbereitung und Evaluation der anstehenden Neufassung der Muster-Weiterbildungsordnung zielen, nach lebhafter Diskussion verabschiedet werden.
Autor: Dr. Daniel Sommerlad ist Delegierter des MB Hessen und arbeitet beim MDK.