Corona-Chaos und Studieren: Ein Erfahrungsbericht aus der Klinik
Corona und studieren? Geht das? Ich muss zugeben, nachdem die anfängliche Erheiterung über das Ach-Ist-Doch-Nicht-So-Schlimm-Virus verstummt war, kamen auch bei mir Zweifel auf. Als sich die Coronakrise im März schließlich zu einer ernstzunehmenden weltweiten Pandemie entwickelte, machte ich gerade einen Teil meines vierten Monats Famulatur in der Zentralen Notaufnahme der Goethe-Universität Frankfurt, meiner Heimatuni. Für weitere zwei Wochen wollte ich Ende April in die Türkei, im Juni für vier Wochen über die bvmd nach Grenada – eines meiner Highlights des Jahres. Leider zeichnete sich bald die Verordnung internationaler Reisebeschränkungen ab, sodass ich – etwas panisch – versuchte, eine Alternative für die verbliebenden zwei Wochen verpflichtender Famulatur zu finden. Auch andere Kurse, die an der Uni sattfinden sollten, wurden nach und nach alternativlos abgesagt. Ein erschwerendes Faktum in meinem Fall war das anstehende 2. Staatsexamen im Herbst, für das ich die Scheine zeitnah brauchte. Anfänglicher Optimismus schlug bald in Resignation um, als ich trotz Bemühungen nur Absagen bekam.
Drei Wochen später saß ich dann also Zuhause und hatte genug vom An-die-Decke-starren und Langweilen. Auch meine Werkstudententätigkeit beschränkte sich mittlerweile durch Homeoffice auf meine eigenen vier Wände. Alle – und ich meine wirklich alle - Termine und Treffen der letzten Wochen wurden abgesagt. Mein Terminkalender, normalerweise ein buntes Durcheinander, wie leergefegt. Eine gute Sache hatte Corona – ich telefonierte fast jeden Tag mit Freunden, auch mit solchen, die weiter weg wohnten und die ich eh nicht gesehen hätte. Man hatte das Gefühl zusammenzurücken und ich glaube, dass meine zwischenmenschlichen Bindungen während dieser Zeit nachhaltig gestärkt worden sind. Nach und nach bemühte man sich auch an der Uni, uns die fehlenden Kurse zu ermöglichen. Realisiert wurde dies durch ein Wahlfach, im Rahmen dessen wir Studenten uns als Krisenhelfer für Aushilfstätigkeiten u.a. im Krankenhaus, Gesundheitsamt und Labor melden konnten. Tatsächlich wurde ich auch nach einiger Zeit abgerufen und auf der Intensivstation eines mittelgroßen Hauses eingesetzt, das auch einige Covid19-Patienten behandelte. Noch nie habe ich mich so gefreut, morgens früh aufzustehen (sehr früh – ich brauchte eine Stunde Zugfahrt an den Einsatzort), und aus der Isolation zu kommen. Die Arbeit dort gestaltete sich mit erhöhten Sicherheitsvorkehrungen (so zum Beispiel ständiges Tragen eines chirurgischen Mundschutzes, Face-Shield bei jeglichem Patientenkontakt) und reduziertem Schutzmaterial als Herausforderung, denn als Student sollte man möglichst keine der wertvollen FFP-2- oder gar -3-Masken benutzen. Nichtsdestotrotz war ich sehr dankbar, eine sinnvolle Beschäftigung zu haben, gerade in dieser Zeit wusste ich das sehr zu schätzen.
Der Einsatz konnte mir als Famulatur gutgeschrieben werden. Andere ließen sich aber auch je nach Bedarf Pflege-, Blockpraktika und Wahlfächer anrechnen, sodass kein „Leersemester“ und eine Verlängerung der Studienzeit entstand. Mittlerweile bin ich optimistischer gestimmt und habe mich auch schon fürs Examen im Herbst angemeldet. Einige Bibliotheken der Universität bieten auch wieder im begrenzten Rahmen die Möglichkeit an, dort für einige Zeit zu lernen. Übernächste Woche ist mein letztes Blockpraktikum geplant, sodass ich den Kopf frei habe, um mich auf das Examen im Oktober vorzubereiten. So schwierig die Situation am Anfang doch erschien – es geht wieder bergauf.
Bianca Völler, 10. Semester, Goethe-Universität Frankfurt am Main