Wie gut muss also ein Arzt oder eine Ärztin die deutsche Sprache tatsächlich beherrschen um eine vertrauensvolle Patientenkommunikation herstellen zu können? Und wie lässt sich eine derart komplexe Kommunikationskompetenz wie die ärztliche Kommunikation wirklich messen?
Geforderte Sprachkenntnisse
Seit 2015 braucht jeder ausländische Arzt und jede ausländische Ärztin, die in Deutschland arbeiten möchten, neben der Anerkennung der fachlichen Qualifikationen auch einen Nachweis über seine/ihre Fremdsprachenkenntnisse. In Hessen braucht es neben einer B2-Sprachprüfung, einem schriftlichen Tests zur Überprüfung des allgemeinen Hör- und Leseverstehen, auch einen Fremdsprachennachweis C1-Medizin. Dieser Test besteht aus drei Elementen, einem simulierten Patientengespräch, der Erstellung eines Kurzarztbriefes und einem Fachgespräch mit einem anderen Arzt. Wird eins der Modul nicht bestanden, muss die gesamte Prüfung wiederholt werden. Das Bestehen dieser Prüfungen ist nicht nur wichtige Voraussetzung um im klinischen Umfeld arbeiten zu können, es entscheidet unter Umständen auch über die Zukunft der ausländischen Ärzte, dann nämlich, wenn die Aufenthaltsgenehmigung damit verknüpft ist.
Lernen am Limit
Aus diesem Grund sind diese Prüfungen ein wichtiger Meilenstein für das weitere berufliche Vorankommen. Doch die ausländischen Prüflinge stehen zu Beginn oft vor einigen Schwierigkeiten: Oftmals gibt es Verwirrung da es bundesweit keine unabhängige, übergeordnete Prüfstelle gibt und dadurch keine einheitliche Handhabung bei den Anerkennungs- und Prüfungsverfahren stattfindet. Da dies Ländersache ist, kommt es regional immer wieder zu unterschiedlichen Ergebnissen. Des Weiteren sind viele ausländische Ärztinnen und Ärzte in ihrem Arbeitsalltag zeitlich bereits derart eingespannt, dass ihnen kaum noch Zeit für nebenbei auch noch Deutsch zu lernen. Da helfen auch keine Kurse während der Arbeitszeit vor Ort, da diese - bedingt durch den betrieblichen Klinikablauf - oft nicht eingehalten werden können.
Im Klinikalltag zeigt sich zudem schnell, dass die vermeintlich ausreichenden Deutschkenntnisse eben doch nicht immer ganz ausreichend sind. Eine Erfahrung, die nicht nur die ausländischen Ärzte machen müssen, sondern auch die deutschen Kollegen, wie beispielsweise Dr. Steffen Lancee, Chefarzt der Allgemein-, Visceral- und Gefäßchirurgie am Kreiskrankenhaus Alsfeld.
Realitätscheck und Angebote
Bedingt durch einen anhaltenden Mangel an Fachpersonal aus dem Inland, muss in Alsfeld seit Jahren verstärkt auf Personal aus dem Ausland zurückgegriffen werden. „Wir haben hier Mediziner aus verschiedenen Ländern, wie etwa Syrien, Jordanien oder Italien. Viele bringen bereits Deutschkenntnisse mit und sind auch sehr motiviert sich zu verbessern. Trotzdem reichen ihre Kenntnisse für eine gelungene Patientenkommunikation oft nicht aus. Denn wenn einer statt Herzschmerzen Halsschmerzen versteht - den Fall hatten wir hier schon - und Entsprechendes verordnet, dann haben wir ein echtes Problem“. Es gab auch mehrfach Beschwerden seitens der Bevölkerung, dass „der Arzt einen nicht richtig versteht“. Da musste gegensteuert werden. Lancee nahm also Kontakt zur ansässigen Volkshochschule auf und veranlasste, dass alle ausländischen Kolleginnen und Kollegen nachgeschult werden. Die Klinik hat dabei nicht nur die Kosten übernommen, sondern auch dafür gesorgt, dass die Sprachstunden als Arbeitszeit gewertet und mit Freizeitausgleich vergütet wurden.
Schriftverkehr ist schwer
Eine Rechnung, die sich auf lange Sicht gelohnt hat. „Natürlich mussten wir anfangs Geld und Zeit investieren, denn es hat im Schnitt schon bis zu einem halben Jahr gedauert, bis die Deutschkenntnisse tatsächlich auf dem nötigen Niveau waren. Aber das war es wert, denn jetzt müssen wir nicht mehr jeden ärztlichen Schriftverkehr genauestens prüfen. Das spart sehr viel wertvolle Zeit“, so Lancee. Für ihn liegt hauptsächlich im schriftlichen Bereich das größte Manko bei den ausländischen Ärztinnen und Ärzten. „Verständlich sprechen können die meisten, wenn sie hierher kommen. Aber bei der schriftlichen Kommunikation hapert es meistens gewaltig. Und gerade die ist ja ein wesentlicher Bestandteil unserer Arbeit. Ein Arzt muss in der Lage sein Arztbriefe, Codierungen und Gesundheitsbescheinigungen richtig zu formulieren“. Daher wünscht er sich, dass bei der Facharztkompetenz auch die Sprachkompetenz als Ausbildungsmodul mit aufgenommen wird. Heute schauen in dem Lehrkrankenhaus auch schon mal Studenten den ausländischen Kolleginnen und Kollegen beim Schreiben über die Schulter und tauschen sich im kollegialen Gespräch mit ihnen aus. „Denn Sprachen lernt man am besten in dem man sie spricht. Am besten täglich“, resümiert Lancee. Denn das hilft auch im Alltag weiter. Nicht nur den Ärzten sondern auch den Patienten, um deren Wohl und Sicherheit es ja auch letzten Endes geht.