Das Urteil des Bundesgerichtshofs zum ärztlich unterstützten Suizid löst keine Probleme, sondern schafft neue. Der Widerspruch zu den berufsrechtlichen Pflichten der Ärztinnen und Ärzte ist evident. Wenn wir Ärztinnen und Ärzte in unseren Grundsätzen von Sterbebegleitung sprechen, meinen wir Beistand und Fürsorge für Menschen, die den Tod vor Augen haben. Sterbebegleitung kann und darf aber keine Hilfe zur Selbsttötung sein. Unsere ärztliche Aufgabe ist es, Leben zu erhalten und Leiden zu lindern. Die Mitwirkung an der Selbsttötung ist keine solche ärztliche Aufgabe. Unsere Berufsordnung lässt daran keinen Zweifel: Ärztinnen und Ärzte dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.
Das Selbstbestimmungsrecht von Patienten ist zu achten. Es gibt aber Grenzen ärztlichen Handelns, die sich aus unserem beruflichen Selbstverständnis ergeben. Es macht eben einen Unterschied, ob ein Angehöriger Beihilfe zur Selbsttötung leistet oder ein Arzt, der dem Patienten nicht nahesteht. Ich fürchte auch, dass eine schleichende Legalisierung des ärztlich begleiteten Suizids, wie sie im Urteil des BGH zum Ausdruck kommt, sehr problematische Signale in die Gesellschaft sendet. Wer alt und krank ist, darf nicht auf den Gedanken kommen, er würde anderen zur Last fallen, um dann den vermeintlichen Ausweg Suizid zu wählen. Das wäre eine verheerende Entwicklung.
Ich glaube auch, dass es Ärzten nahezu unmöglich ist, richtig einzuschätzen, ob der Sterbewunsch eines Patienten endgültig ist. Ärztinnen und Ärzte sind gefordert, Menschen Wege aufzeigen, wie ein Weiterleben gelingen kann, wie Schmerzen besser kontrolliert werden können, wie mehr gesellschaftliche Teilhabe wieder erfahren werden kann. Ich erwarte von ärztlichen Kollegen, dass sie nicht einfach den Sterbewunsch als gegeben hinnehmen und lediglich prüfen, ob er aus freien Stücken erfolgt. Ich erwarte, dass Ärzte Auswege aus der seelischen Not aufzeigen, die sich häufig hinter einem Sterbewunsch verbirgt.