SRH-Kliniken-TV-Ärzte-Qualifizierung
Landesverbände Thüringen und Baden-Württemberg vereinbaren bundesweit einzigartigen Qualifizierungstarifvertrag mit SRH
Im Rahmen der Tarifverhandlungen 2017 zu Änderungen im Entgelt- und Manteltarifvertrag SRH (Abschluss 09.03.2017) vereinbarten MB-Verhandlungskommission und Arbeitgeber die Aufnahme von Tarifverhandlungen zu einem TV-Qualifizierung. Im Anschluss an vorbereitende Klausuren auf beiden Seiten starteten diese Verhandlungen am 16.01.2018 in Heidelberg. Nach mehreren Verhandlungs- und Rückkopplungsrunden wurden im Sommer auch die Redaktionsverhandlungen zu diesem bundesweit neuartigen Konzern-Tarifvertrag im Krankenhausbereich abgeschlossen. Nach inzwischen erfolgter Zustimmung der Tarifgremien der MB-Landesverbände Baden-Württemberg und Thüringen sowie des Aufsichtsrat der SRH-Kliniken tritt der Tarifvertrag am 01.01.2019 in Kraft. Er gilt für 870 Ärztinnen und Ärzte an 9 SRH Kliniken in Baden-Württemberg und Thüringen, ist erstmals kündbar zum 31.12.2021 und enthält folgende Regelungen:
1. Gesetzlich vorgeschriebene ärztliche Fort- und Weiterbildungen
Die Kosten, einschließlich notwendiger Reise- und Übernachtungskosten, trägt der Arbeitgeber. Es erfolgt Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung.
2. Qualifizierungsplan
Es besteht Anspruch auf ein jährlich stattfindendes dokumentiertes Mitarbeitergespräch über individuelle Entwicklungs- und Karrieremöglichkeiten mit einvernehmlicher Erstellung eines individuellen Qualifizierungsplans. Für die Qualifizierungsmaßnahmen aus diesem Qualifizierungsplan trägt der Arbeitgeber die Kosten, einschließlich notwendiger Reise- und Übernachtungskosten. Die Qualifizierungszeiten einschließlich notwendiger Reisezeiten gelten als Arbeitszeit. Die Begrenzung des Freistellungsanspruchs nach § 17 Abs. 7 SRH-Kliniken-TV-Ärzte-Mantel (3 Arbeitstage zur Teilnahme an Kongressen und Fortbildungsveranstaltungen) gilt für im Qualifizierungsplan vereinbarte Qualifizierungen nicht, sie werden jedoch mit diesem und mit Ansprüchen aus Landesgesetzen auf Bildungsurlaub verrechnet.
3. Wiedereinstiegsqualifizierung
Für Ärztinnen und Ärzte nach längerer Abwesenheit (Krankheit, Elternzeit usw.) von mindestens 12 Monaten am Stück erfolgt das Mitarbeitergespräch zeitnah nach deren Rückkehr. Es soll kurzfristig eine Wiedereinstiegs-Qualifizierung angeboten werden, die Regelungen zum Qualifizierungsplan gelten entsprechend.
4. Weitere individuelle Fortbildungen
Ist durch Maßnahmen aus dem Qualifizierungsplan der Freistellungsanspruch nach § 17 Abs. 7 SRH-Kliniken-TV-Ärzte-Mantel aufgebraucht, können auf Antrag der Ärztin/ dem Arzt zusätzlich zum Qualifizierungsplan bis zu 2 weitere Tage im Kalenderjahr Freistellung zur Teilnahme an medizinischen wissenschaftlichen Kongressen und ärztlichen Fortbildungsveranstaltungen unter Fortzahlung der Vergütung gewährt werden.
5. Führungskräfte-Fortbildung
Die SRH bietet Ärztinnen und Ärzten in SRH-Führungspositionen bzw. vor Aufnahme solcher Positionen auf Kosten des Arbeitgebers und bei Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung Schulungen zur Führung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an. Diese werden nicht auf die Ansprüche nach § 17 Abs. 7 SRH-Kliniken-TV-Ärzte-Mantel und die Bildungsgesetze der Länder angerechnet.
6. Sprachkenntnisse
Beim Erwerb und Vertiefen deutscher Sprachkenntnisse wird eine hohe Eigeninitiative erwartet und bei Erfordernis Unterstützung durch den Arbeitgeber angeboten.
7. Besondere Förderung der Facharztweiterbildung
Spätestens innerhalb der ersten 4 Wochen wird im gegenseitigen Einvernehmen zwischen der Ärztin/ dem Arzt in Weiterbildung und der/dem zur Weiterbildung ermächtigten Ärztin/Arzt ein individueller, sachlich und zeitlich gegliederter Weiterbildungsplan nach den von den Landesärztekammern vorgeschriebenen Weiterbildungsinhalten und entsprechend den Vorgaben der Logbücher erstellt. In ihm werden erstmals auch erfahrene Fachärztinnen und Fachärzte als unterstützende Mentoren benannt.
Jährlich wird im Rahmen eines dokumentierten Mitarbeitergespräches der Stand der Umsetzung des Weiterbildungsplans überprüft. Bei Bedarf werden geeignete Maßnahmen zur Erreichung des Weiterbildungsziels vereinbart.
Für im Rahmen der Facharztweiterbildung erforderliche externe Qualifizierungsmaßnahmen wird die Ärztin/ der Arzt in Weiterbildung unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt. Der Arbeitgeber trägt die Kosten für die Qualifizierungsmaßnahme einschließlich Reise- und Übernachtungskosten.
Während der Facharztweiterbildung ist die Ärztin/ der Arzt in Weiterbildung zur Hospitation an einer anderen Klinik unter Fortzahlung der Vergütung berechtigt, bis zu 4 Wochen, bevorzugt bei der SRH.
Das SRH-Arbeitsverhältnis mit Ärztinnen und Ärzten, die einen Teil ihrer Weiterbildung bei einem anderen Arbeitgeber absolvieren müssen, wird für diese Zeit ruhend gestellt.
Spätestens ein Jahr vor der geplanten Facharztprüfung werden der Ärztin/ dem Arzt die Perspektiven und weiteren Karrieremöglichkeiten in der SRH aufgezeigt.
8. Freistellung zur Vorbereitung auf die Facharztprüfung und am Prüfungstag
Zur Vorbereitung auf die Facharztprüfung wird die Ärztin/ der Arzt an mindestens einem Arbeitstag vor dem Prüfungstag unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt. Zusätzlich wird auf Antrag der Arzt/ die Ärztin durch Abbau eines Zeitguthaben oder Aufnahme von Zeitschulden (vgl. § 10 SRH-Mantel-Tarifvertrag) unter Fortzahlung der Vergütung bis zu 9 Arbeitstage zur Prüfungsvorbereitung freigestellt. Am Prüfungstag wird die Ärztin/ der Arzt unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt.
9. Besondere Förderung von Zusatzweiterbildungen/Spezialqualifikationen
Erwerben Fachärztinnen/Fachärzte, Oberärztinnen/Oberärzte oder leitende Oberärztinnen/Oberärzte im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber eine Zusatzbezeichnung/Spezialqualifikation, fördert die SRH diese Qualifizierung durch einen geeinigten Weiterbildungsplan, die Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung und Kostenübernahme für notwendige externe Qualifizierungsmaßnahmen und einen Hospitationsanspruch von bis zu 4 Wochen unter Fortzahlung der Vergütung.
10. Wissensmanagement
Im Sinne des gemeinsamen Lernens für die Patientinnen und Patienten zur Verbesserung der medizinischen Versorgung sollen Ärztinnen und Ärzte ihr fachliches Wissen und ihre praktische Handlungskompetenz an ärztliche Kolleginnen und Kollegen und andere Berufsgruppen weitergeben.
11. Wissenschaftliche Evaluierung
Die Parteien streben eine wissenschaftliche Evaluierung dieses Tarifvertrages an.
12. Tarifkollisionsschutz
Nachdem zwischen Marburger Bund und SRH schon 2015 eine Tarifkollisionsschutzklausel zu den Mantel- und Entgeltregelungen festgeschrieben wurde, enthält auch der TV-Qualifizierung eine Regelung, nach der die Vereinbarungen zur ärztlichen Qualifizierung auch im Falle einer Tarifkollision mit einem ver.di-Tarifvertrag geschützt sind.
Wertung
Das erreichte Ergebnis verbessert die bisherigen tarifvertraglichen Ansprüche erheblich, ohne jegliche Abstriche bei Mantel- und Entgeltregelungen. Dieser Tarifvertrag führt zu einheitlichen, transparenten und deutlich besseren zeitlichen und finanziellen Bedingungen für ärztliche Qualifizierung bei der SRH. Er unterstützt darüber hinaus die Professionalisierung der Personalentwicklung in den SRH Kliniken und die Arbeit der Betriebsräte. Der erzielte Tarifabschluss setzt die Positionen des Marburger Bundes (Hauptversammlungen, Bundesverband, Arbeitsgruppen) bezüglich ärztlicher Fort- und Weiterbildung im Arbeitsverhältnis (z.B. hohe Selbstbestimmtheit, Fortbildung als Arbeitsleistung, strukturierte und transparente Regelungen zur Unterstützung ärztlicher Qualifizierung) in hohem Maße um. Er schafft für die Ärztinnen und Ärzte sowie für die MB-Juristen erhöhte Rechtssicherheit in einer Vielzahl von arbeitsrechtlichen Fragen in Zusammenhang mit Fort- und Weiterbildung. Die von beiden Seiten angestrebte wissenschaftliche Evaluierung der Einführung und Umsetzung des Tarifvertrages lässt wichtige Erkenntnisse für seine zukünftige Weiterentwicklung und evtl. Übertragbarkeit auf andere Tarifbereiche erwarten. Schon für den vorliegenden Tarifvertrag diskutierte Entwicklungsideen zur Einführung eines Anspruchs auf befristete Bildungsteilzeit und Bildungssabbat wurden vor dem Hintergrund einer gültigen Konzernbetriebsvereinbarung zur Auszeit-Ansparung (Wertkonto) und der Mantelregelung zur befristeten Teilzeit nicht weiterverfolgt.
Gestatten Sie mir, an dieser Stelle den Mitgliedern unserer Verhandlungskommission aus Baden-Württemberg und Thüringen zu danken. Ihr Wille zum Gelingen, ihr hoher zeitlicher und fachlicher Einsatz, ihre Konflikt- und Konsensfähigkeit, ihre herausragenden Kenntnisse der internen Bedingungen, Bedürfnisse und rechtlichen Unklarheiten sowie ihre Vernetzung in den Kliniken und in ihrem MB-Landesverband waren die wesentlichen Voraussetzungen für den Abschluss dieses bisher bundesweit einzigartigen Tarifvertrages.
Kerstin Boldt 28.08.2018
Verhandlungsführerin
Geschäftsführerin MB Thüringen