Der aktuelle Tarifabschluss mit der TdL hat Licht und Schatten. Auf der Habenseite können wir finanzielle Verbesserungen durch eine sofort wirksame, steuer- und sozialabgabenfreie Einmalzahlung in Höhe von 4.500 Euro und eine lineare Gehaltssteigerung um 3,35 Prozent ab 1. September 2023 verbuchen. Die kurze Laufzeit bis Ende September 2023 gibt uns die Möglichkeit, dann erneut über die Entgelte zu verhandeln. Auch die Beseitigung der Gerechtigkeitslücke beim Anspruch auf Zusatzurlaub und das Kombiverbot von Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft sind positive Ergebnisse der Verhandlungen mit den Ländern. Ein weiterer Erfolg: Wir haben ein gesondertes Kündigungsrecht für sämtliche Vorschriften zu Schicht- oder Wechselschicht durchsetzen können. Daran hängen viele Verhandlungsmöglichkeiten, ohne dass gleich eine Kündigung des gesamten Tarifvertrages erfolgen muss.
Auf der Sollseite steht hingegen die fortgesetzte Weigerung der Arbeitgeber, Vollarbeit an den Randzeiten des Tages und am Wochenende mit höheren Zeitzuschlägen zu versehen. Die TdL nimmt damit bewusst in Kauf, dass Universitätskliniken gegenüber anderen Trägern als ärztlicher Arbeitsplatz an Attraktivität verlieren.
Wir alle haben uns einen größeren Aufschlag bei den Entgelten erwartet. Allein, es war in diesen Verhandlungen mit den Ländern, die durch die Finanzminister repräsentiert werden, nicht mehr herauszuholen.
Ab Oktober 2023 geht es aber schon in die nächsten Verhandlungen. Durch die jetzt geschaffene Sonderkündigungsmöglichkeit haben wir dann eine bessere Ausgangslage, um unsere Forderungen zur besseren Vergütung von Nacht- und Wochenenddiensten beim nächsten Mal erneut den Ländern auf den Tisch zu legen und dann auch durchzusetzen – zusammen mit anderen Forderungen zur Reduzierung der Arbeitsbelastung, zur Verbesserung der Entgelte und einer weiteren Vergütungsstufe für Oberärztinnen und Oberärzte.
Für die nächste Tarifrunde sind wir daher mehr denn je auf Ihren Input, auf Ihr Engagement und Ihre Unterstützung angewiesen. Der Marburger Bund ist die Summe seiner Mitglieder. In unseren Gremien, natürlich auch in den Verhandlungskommissionen, sind es Ärztinnen und Ärzte, die Entscheidungen treffen. Bringen Sie sich in Ihren Landesverbänden ein, stellen Sie sich zur Wahl, organisieren Sie sich in den Unikliniken. Nur so erreichen wir eine hohe Durchsetzungskraft.
Der aktuelle Abschluss wird jetzt in den Tarifgremien diskutiert werden. Die Große Tarifkommission hat dann darüber zu befinden, ob sie dem Verhandlungsergebnis zustimmen kann. Sollte das der Fall sein, ist durch die kurze Laufzeit der Tarifeinigung der weitere Zeitplan schon vorgegeben. Wir müssen auf allen Ebenen, an den Kliniken, in den Landesverbänden und in den Gremien auf Bundesebene, darüber diskutieren, wie wir uns im nächsten Jahr aufstellen. Dazu brauchen wir ein breites Feedback aus der Mitgliedschaft. Wo setzen wir Prioritäten, was ist unabdingbar, welche Maßnahmen sind vorbereitend zu treffen? Diese Fragen werden wir mit Ihrer Hilfe beantworten.
Dr. Susanne Johna, 1. Vorsitzende des Marburger Bundes