Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 29.7.2024 (AZ: C-184/22 und C-185/22) seine frühere Entscheidung vom 19.10.2023 zu einem Fluglotsen in Teilzeit (AZ: C-660/20) bestätigt und konkretisiert: Teilzeitbeschäftigte dürfen nicht schlechter behandelt werden, wenn es darum geht, eine erhöhte Vergütung wegen Überschreitung einer bestimmten Zahl an Arbeitsstunden zu erhalten. Ihnen kann ein Anspruch auf Überstundenvergütung somit bereits zustehen, soweit ihre individuelle Arbeitszeit überschritten wird, selbst wenn tarifvertraglich geregelt ist, dass Überstundenzuschläge erst bei Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten gezahlt werden.
In dem Verfahren, das dem EuGH vom Bundesarbeitsgericht (BAG) vorgelegt worden war, ging es um einen Tarifvertrag, in dem für Vollzeitbeschäftigte eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden vorgesehen war. Zuschläge für Überstunden sollten dabei nur für diejenigen Überstunden gezahlt werden, die über die kalendermonatliche Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten hinausgingen. Die Klägerinnen, die mit einer Arbeitszeit von 40 Prozent bzw. 80 Prozent der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer Vollzeitkraft beschäftigt waren, hatten auf Erteilung einer den Zuschlägen entsprechenden Zeitgutschrift sowie auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geklagt. Der EuGH hat in der tarifvertraglichen Regelung zum einen eine nicht gerechtfertigte Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten gesehen. Zum anderen geht der EuGH auch von einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts aus, wenn erwiesen ist, dass die tarifvertragliche Regelung einen signifikant höheren Anteil von Frauen im Vergleich zu Männern benachteiligt.
Die Verfahren liegen nunmehr wieder dem BAG vor, das sich unter Berücksichtigung der Auffassung des Europäischen Gerichtshofs erneut damit befassen und dann zu einer Entscheidung in der Sache kommen muss.
Der Marburger Bund wird seine Tarifverträge unter Beachtung der bestätigten Entscheidung des EuGH nun prüfen, verschiedene Landesverbände haben bereits nach der Fluglotsenentscheidung sogenannte Mustergeltendmachungsschreiben erstellt. Für eine konkrete Beratung sollten sich die Mitglieder des Marburger Bundes an die Geschäftsstelle ihres jeweiligen Landesverbandes wenden.