„Wir haben zu wenig medizinischen Nachwuchs, um für die Zukunft gewappnet zu sein. Wer den Ersatzbedarf ignoriert, der durch die Babyboomer-Ruhestandswelle der nächsten Jahre auf uns zukommt, verkennt schlichtweg die Realität“, kommentiert Dr. Susanne Johna, 1. Vorsitzende des Marburger Bundes, jüngste Erklärungen des Medizinischen Fakultätentages (MFT), der sich gegen einen weiteren Ausbau von Studienplätzen ausgesprochen hat.
Der MFT weise zu Recht darauf hin, dass vor allem jüngere Ärztinnen und Ärzte mehr Wert auf gute Arbeitsbedingungen und familienfreundliche Arbeitszeiten legten. Das sei im Sinne der Patientensicherheit auch durchaus zu begrüßen. „Ausgeruhte Ärztinnen und Ärzte machen weniger Fehler“, so Johna. Der wachsende Anteil von Teilzeitbeschäftigten unter den Ärztinnen und Ärzten sei auch als Zeichen einer privaten Flucht aus Arbeitsüberlastung zu deuten. „Wer nur die Köpfe zählt und im Mangel lediglich ein Verteilungsproblem sieht, verschließt die Augen vor den tatsächlichen Verhältnissen“, betonte Johna.
Die neue Bundesvorsitzende des MB wies auch darauf hin, dass derzeit etwa so viele Medizinstudienplätze zur Verfügung stehen wie 1990 in der alten Bundesrepublik. Seitdem aber seien fünf medizinische Fakultäten in den neuen Ländern hinzugekommen. De facto hätten die Bundesländer über Jahrzehnte Studienkapazitäten immer weiter abgebaut. Erst in den vergangenen zwei Jahren sei in einigen Ländern ein Umdenken erfolgt.
„Wer regionalen Engpässen in der ärztlichen Versorgung wirksam begegnen will, muss vor allem die Rahmenbedingungen verbessern. Attraktive Arbeitsbedingungen, eine gute Infrastruktur und gezielte Unterstützung der Niederlassung im ländlichen Raum sind geeignete Maßnahmen, um auf Dauer dem Ärztemangel auf dem Land entgegenzuwirken“, erklärte Johna.
Den Hinweis des MFT, dass es auch nicht staatliche, privatwirtschaftlich angebotene Studienplätze gebe, kritisierte Dr. Andreas Botzlar, 2. Vorsitzender des Marburger Bundes. „Die Finanzierung von Bildung gehört zu den wesentlichen Säulen unseres Gemeinwesens. Es muss unser aller Anspruch sein, dass medizinischer Nachwuchs an staatlichen Universitäten ausgebildet wird, die einem gemeinsamen Ausbildungsstandard verpflichtet sind und allen Studierenden unabhängig von ihrer Einkommenssituation offenstehen“, bekräftigte Botzlar.
Erst im Mai dieses Jahres hatte der 122. Deutsche Ärztetag in Münster Bund und Länder aufgefordert, die Zahl der Medizinstudienplätze deutlich zu erhöhen. Die Versorgung der immer älter werdenden Bevölkerung brauche dringend mehr Ärztinnen und Ärzte. Die Bundesländer sollten finanzielle Mittel für eine Erhöhung der Zahl der Studienplätze in der Humanmedizin um bundesweit mindestens zehn Prozent bereitstellen, forderte das Ärzteparlament.