Das Tarifeinheitsgesetz ist ein politischer Irrweg, dessen beste Korrektur die völlige Aufhebung des Gesetzes wäre. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 11. Juli 2017 eine solche Konsequenz nicht verlangt, wohl aber Korrekturen angemahnt und einen verfassungsrechtlichen Rahmen vorgegeben, der bei der Anwendung des Gesetzes berücksichtigt werden muss.
Der Marburger Bund hat seit Inkrafttreten des Gesetzes Vorkehrungen getroffen, um sein im Grundgesetz verbürgtes Recht der kollektiven Privatautonomie zu wahren. Die Aufhebung des Gesetzes wäre gleichwohl der einfachste Weg, den nach wie vor bestehenden rechtlichen und praktischen Problemen zu begegnen und damit auch Rechtssicherheit zu schaffen. Diese Chance hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) jedoch mit seinem Entwurf zur Änderung des Tarifvertragsgesetzes im Qualifizierungschancengesetz verpasst.
In seiner für arbeitsgerichtliche Entscheidungen durchaus relevanten Gesetzesbegründung fällt das Ministerium hinter Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zurück und ignoriert offenbar bewusst die vom Gericht genannten Kriterien zur Wahrung der Interessen betrieblicher Minderheiten.
So findet sich in der Gesetzesbegründung bezeichnenderweise kein Hinweis auf die vom Bundesverfassungsgericht genannten Fallgruppen, bei deren Vorliegen von einer ernsthaften und wirksamen Berücksichtigung der Interessen von Minderheitsgewerkschaften auszugehen ist.
Besonders problematisch ist, dass die Regierung in der Gesetzesbegründung den Anschein erweckt, die Darlegungs- und Beweislast für eine nicht ernsthafte und wirksame Interessenberücksichtigung läge bei der mit Verdrängung bedrohten Minderheit. Tatsächlich aber hatte das Bundesverfassungsgericht festgestellt, die Mehrheitsgewerkschaft müsse darlegen, dass sie die Interessen der betrieblichen Minderheit ernsthaft und wirksam berücksichtigt hat.
Wenn die Regierung es schon nicht über sich bringt, einen eigenen Irrweg zu korrigieren, sollte sie wenigstens dem Wortlaut höchstrichterlicher Urteile folgen können. Der jetzt vorliegende Entwurf zur Änderung des Tarifeinheitsgesetzes ist darauf angelegt, die Interessen betrieblicher Minderheiten weiter zu schwächen. Das darf und das wird auch nicht das letzte Wort in dieser Sache sein.