Nr. 1 Mindestens 40 % unbefristet tätige ärztliche Beschäftigte an Unikliniken
Nr. 2 Verträge mit Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung an den Unikliniken zukünftig nach dem Gesetz über befristete Verträge mit Ärzten in der Weiterbildung befristen
Nr. 3 Marburger Bund Baden-Württemberg lehnt absehbare Schwächung der Selbstverwaltung durch den Referentenentwurf des GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetzes ab
Nr. 4 Keine Quartalisierung des Praktischen Jahres (PJ) und keine weiteren Pflichtprüfungen in den Staatsexamina
Nr. 5 Marburger Bund Baden-Württemberg unterstützt Forderungen der Studierenden zu einem „fairen PJ"
Nr. 6 Studienplatzkapazitäten in Baden-Württemberg erhöhen
Nr. 7 Marburger Bund Baden-Württemberg lehnt Einführung einer Landarztquote ab
Nr. 8 Fachkompetenz der Delegierten der Kammern bei Novellierung der Musterweiterbildungsordnung einbinden
Nr. 9 Mindestweiterbildungszeit an europäischen Vorgaben orientieren
Nr. 10 Novellierung der Musterweiterbildungsordnung darf keine Nachteile in Bezug auf das Gesetz über befristete Verträge mit Ärzten in der Weiterbildung nach sich ziehen
Beschluss Nr. 1 MINDESTENS 40 % UNBEFRISTET TÄTIGE ÄRZTLICHE BESCHÄFTIGTE AN UNIKLINIKEN
Der Marburger Bund Baden-Württemberg fordert die Landesregierung auf, sicherzustellen, dass im ärztlichen Bereich an den Unikliniken zukünftig mindestens 40 % der ärztlichen Beschäftigten unbefristet beschäftigt wird. Durch einen Anteil in dieser Höhe wird der nötige Spielraum der Unikliniken im wissenschaftlichen Bereich nicht unangemessen eingeschränkt.
Beschluss Nr. 2 VERTRÄGE MIT ÄRZTINNEN UND ÄRZTEN IN WEITERBILDUNG AN DEN UNIKLINIKEN ZUKÜNFTIG NACH DEM GESETZ ÜBER BEFRISTETE VERTRÄGE MIT ÄRZTEN IN DER WEITERBILDUNG BEFRISTEN
Der Marburger Bund Baden-Württemberg fordert das Land auf, Verträge mit Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung an den Unikliniken zukünftig nach dem Gesetz über befristete Verträge mit Ärzten in der Weiterbildung zu befristen.
Im Hochschulrahmengesetz war die Befristung von Ärztinnen und Ärzten in der Weiterbildung ursprünglich in § 57 c Abs. 4 HRG ausdrücklich geregelt. Mit der Änderung des Gesetzes zum 23.02.2002 wurden die bis dahin bestehenden Befristungsregelungen grundsätzlich geändert und es wurde zum Zweck der wissenschaftlichen Qualifizierung eine reine Zeitbefristung eingeführt. An dieser Ausrichtung wurde auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27.07.2004 festgehalten ebenso wie nach der Auslagerung der Vorschriften in das Wissenschaftszeitvertragsgesetz zum 12.04.2007.
Mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG-E) vom 17.12.2015 wurde noch einmal betont, dass sich aus dem WissZeitVG künftig klar ergeben soll, dass die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrages nur zulässig ist, wenn die befristete Beschäftigung zur Förderung der eigenen wissenschaftlichen oder künstlerischen Qualifizierung erfolgt.
Bei der ärztlichen Weiterbildung handelt es sich nicht um eine wissenschaftliche Qualifizierung. Auf der Homepage der Bundesärztekammer heißt es dazu:
„Ärztliche Weiterbildung beinhaltet das Erlernen ärztlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten nach abgeschlossener ärztlicher Ausbildung und Erteilung der Erlaubnis zur Ausübung der ärztlichen Tätigkeit. Kennzeichnend für die Weiterbildung ist die praktische Anwendung ärztlicher Kenntnisse in der ambulanten, stationären und rehabilitativen Versorgung der Patienten.
(...)
Die Weiterbildung wird in angemessen vergüteter hauptberuflicher Ausübung der ärztlichen Tätigkeit an zugelassenen Weiterbildungsstätten durchgeführt. Sie erfolgt unter Anleitung befugter Ärzte in praktischer Tätigkeit und theoretischer Unterweisung sowie teilweise durch die erfolgreiche Teilnahme an anerkannten Kursen.
(...)
Die Weiterbildungsbezeichnung ist der Nachweis für erworbene Kompetenz. Sie dient der Qualitätssicherung der Patientenversorgung und der Bürgerorientierung."
(http://www.bundesaerztekammer.de/aerzte/aus-weiter-fortbildung/weiterbil...)
Ein Bezug zu einer wissenschaftlichen Qualifizierung ist nicht zu erkennen. Dies wäre auch deshalb überraschend, weil nicht nur Universitätskliniken oder akademische Lehrkrankenhäuser zugelassene Weiterbildungsstätten sein können.
Aus diesem Grund kann eine befristete Beschäftigung von Ärztinnen und Ärzten in der Weiterbildung auch an Universitätskliniken nicht auf das Wissenschaftszeitvertragsgesetz gestützt werden. Stattdessen hat sich eine Befristung nach dem Gesetz über befristete Arbeitsverträge mit Ärzten in der Weiterbildung zu richten.
Beschluss Nr. 3 MARBURGER BUND BADEN-WÜRTTEMBERG LEHNT ABSEHBARE SCHWÄCHUNG DER SEBSTVERWALTUNG DURCH DEN REFERENTENENTWURF DES GKV-SELBETVERWALTUNGSSTÄRKUNGSGESETZES AB
Der Marburger Bund Baden-Württemberg lehnt die absehbare Schwächung der Selbstverwaltung durch den Referentenentwurf des GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetzes ab. In der jetzigen Form stärkt der Entwurf die Selbstverwaltung nicht. Er höhlt sie aus. Der Entwurf ist mit Blick auf das Regelungsziel insofern zu weitgehend und unverhältnismäßig. Erprobte und tragende Prinzipien der Selbstverwaltung werden zerstört. So wird etwa anstelle der bisher anerkannten Rechtsaufsicht quasi durch die Hintertür eine Fachaufsicht eingeführt. Probleme, die es zuletzt in einzelnen Bereichen gegeben hat, dürfen jedoch nicht dazu führen, dass die Selbstverwaltung insgesamt geschwächt wird.
Beschluss Nr. 4 KEINE QUARTALISIERUNG DES PRAKTISCHEN JAHRES (PJ) UND KEINE WEITEREN PFLICHTPRÜFUNGEN IN DEN STAATSEXAMINA
Der Marburger Bund Baden-Württemberg lehnt die Quartalisierung des Praktischen Jahres (PJ) einschließlich weiterer Pflichtanteile im PJ sowie weitere Pflichtprüfungen in den Staatsexamina ab. Er fordert den Gesetzgeber auf, der entsprechenden Empfehlung der Gesundheitsministerkonferenz nicht zu folgen.
Beschluss Nr. 5 MARBURGER BUND BADEN-WÜRTTEMBERG UNTERSTÜTZT FORDERUNGEN DER STUDIERENDEN ZU EINEM „FAIREN PJ"
Der Marburger Bund Baden-Württemberg unterstützt Forderungen der Medizinstudierenden in Baden-Württemberg nach einem „fairen PJ" ausdrücklich. Hierzu gehört auch eine angemessene Aufwandsentschädigung während des Praktischen Jahres mit der Mindestgrenze des BAföG-Höchstsatzes. Sie erlaubt es den Studierenden sich ganz auf das Praktische Jahr konzentrieren zu können. Darüber hinaus müssen die freie Mobilität, d.h. die Möglichkeit, das PJ außerhalb der Unikliniken abzuleisten, sowie die Studientage erhalten bleiben. Die Praxisorientierung und die Qualität der Lehre müssen kontinuierlich überprüft und ggf. verbessert werden.
Beschluss Nr. 6 STUDIENPLATZKAPAZITÄTEN IN BADEN-WÜRTTEMBERG ERHÖHEN
Der Marburger Bund Baden-Württemberg fordert die Landesregierung auf, die Studienplatzkapazitäten im Fach Medizin deutlich, mindestens jedoch um 10 % zu erhöhen, um die Kapazitäten dem steigendem Bedarf anzupassen und ein Ausweichen auf andere Ausbildungseinrichtungen als staatliche Hochschulen zu verhindern.
Die große Diskrepanz zwischen der Bewerberzahl und den vorhandenen Medizinstudienplätzen ist nicht nur für diejenigen frustrierend, die oft mehrere Jahre warten müssen, bis sie ihr Wunschstudium aufnehmen können oder die in absehbarer Zeit gar keinen Studienplatz erhalten. Es ist auch versorgungspolitisch höchst problematisch.
Der zunehmende Anteil an Studentinnen (61 Prozent aller Medizinstudierenden im Jahr 2015), aber auch der Wunsch der angehenden Ärztinnen und Ärzte nach einer besseren Vereinbarkeit von Studium/Beruf und Familie/Privatleben sowie verlässlichen Arbeitszeiten werden die Rahmenbedingungen ebenso stark verändern wie die absehbare Ruhestandswelle in zehn bis zwanzig Jahren, wenn die Babyboomer-Generation für die ärztliche Versorgung nicht mehr zur Verfügung steht. Darauf muss sich die Politik jetzt einstellen – u.a. durch eine Erhöhung der Studienplatzzahlen um mindestens 10 Prozent. Die Ausweitung der Kapazitäten kann durch eine Vergrößerung bisheriger Fakultäten, aber auch durch die Gründung neuer Fakultäten öffentlicher Hochschulen gewährleistet werden.
Es muss eine neue Methode zur Berechnung geeigneter Kapazitäten entwickelt werden, die sowohl versorgungspolitische Engpässe als auch das Grundrecht der Bewerber auf freie Berufswahl nach Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz in Verbindung mit Art. 3 Grundgesetz berücksichtigt. Unterfüttert werden muss dieses neue Kapazitätsrecht durch die Festlegung einer ausreichenden Finanzierung.
Beschluss Nr. 7 MARBURGER BUND BADEN-WÜRTTEMBERG LEHNT EINFÜHRUNG EINER LANDARZTQUOTE AB
Der Marburger Bund Baden-Württemberg lehnt die Einführung einer so genannten "Landarztquote" ab. Bei der Vergabe von Medizinstudienplätzen verstärkt Bewerber zu berücksichtigen, die sich dazu verpflichten, nach ihrem Medizinstudium in einer unterversorgten Region zu arbeiten, ist ein ungeeignetes Mittel, um den Mangel an Ärztinnen und Ärzten in ländlichen Regionen zu bekämpfen.
Vor allem geht die Landarztquote aber an den Ursachen des Problems völlig vorbei. Die Gründe, warum Medizinstudierende immer seltener in ländlichen Regionen arbeiten, sind vielfältig und reichen von ungünstigen Arbeits- und Niederlassungsbedingungen auf dem Land bis hin zu Fragen der grundsätzlichen Lebensbedingungen vor Ort. So ergaben Studien zur ärztlichen Berufswahl und auch die großen Mitgliederbefragungen des Marburger Bundes, dass angehenden Ärztinnen und Ärzten vor allem eine bessere Vereinbarkeit von Familie, Studium und Beruf, eine stärkere interdisziplinäre Zusammenarbeit, mehr Teamarbeit und ein Abbau von bürokratischen Hindernissen im Hinblick auf die Niederlassung wichtig ist.
Medizinstudierende dürfen nicht frühzeitig zu einer Festlegung auf eine bestimmte Fachrichtung gezwungen werden. Bei Einführung einer Landarztquote müssten die Betroffenen schon vor Beginn ihres Studiums und weit vor Beginn ihrer ärztlichen Tätigkeit eine Entscheidung über ihre konkrete spätere berufliche Tätigkeit und Ihren Arbeitsort treffen, ohne dass sich zwischenzeitlich ergebende persönliche Umstände oder Lebensentscheidungen noch ausreichend berücksichtigt werden können. Hierdurch würde die persönliche Entscheidungsfreiheit der Studierenden unangemessen eingeschränkt.
Beschluss Nr. 8 FACHKOMPETENZ DER DELEGIERTEN IN DEN KAMMERN BEI NOVELLIERUNG DER MUSTERWEITERBILDUNGSORDNUNG EINBINDEN
Der Marburger Bund Baden-Württemberg fordert die Landesärztekammer auf, die Fachkompetenz der Delegierten in den Ärztekammern bei der Novellierung der Musterweiterbildungsordnung verstärkt zu nutzen und einzubinden.
Aufgrund der starken Spezialisierung in der Medizin wird es immer schwieriger, den aktuellen Stand der Novellierung für jedes Fachgebiet zu bewerten und Probleme aufzuspüren. Dies ist meist nur den Ärztinnen und Ärzten, die in dem jeweiligen Gebiet in der Patientenversorgung tätig sind, möglich. Da in den zuständigen Ausschüssen der Kammer naturgemäß nicht jedes Gebiet vertreten sein kann, ist es sinnvoll, die Delegierten der Landesärztekammer und der Bezirksärztekammern etwa im Rahmen von Workshops einzubinden und von ihren Kenntnissen und Erfahrungen zu profitieren.
Beschluss Nr. 9 MINESTWEITERBILDUNGSZEITEN AN EUROPÄISCHEN VORGABEN ORIENTIEREN
Der Marburger Bund Baden-Württemberg fordert die Landesärztekammer auf, im Rahmen der Novellierung der Musterweiterbildungsordnung darauf hinzuwirken, dass die Mindestweiterbildungszeiten an den Mindestanforderungen der Richtlinie 2005/36/EG ausgerichtet werden. Die Maximale Mindestweiterbildungszeit soll dabei 60 Monate nicht überschreiten.
Beschluss Nr. 10 NOVELLIERUNG DER MUSTERWEITERBILDUNGSORDNUNG DARF KEINE NACHTEILE IN BEZUG AUF DAS GESETZ ÜBER BEFRISTETE VERTRÄGE MIT ÄRZTEN IN DER WEITERBILDUNG NACH SICH ZIEHEN
Nach dem Gesetz über befristete Verträge mit Ärzten in der Weiterbildung kann ein befristeter Arbeitsvertrag auf die notwendige Zeit für den Erwerb der Anerkennung als Facharzt oder den Erwerb einer Zusatzbezeichnung, zum Zweck des Erwerbs einer Anerkennung für einen Schwerpunkt oder des an die Weiterbildung zum Facharzt anschließenden Erwerbs einer Zusatzbezeichnung, eines Fachkundenachweises oder einer Bescheinigung über eine fakultative Weiterbildung vereinbart werden. Die Befristung darf den Zeitraum nicht unterschreiten, für den der weiterbildende Arzt die Weiterbildungsbefugnis besitzt, es sei denn, der weiterzubildende Arzt beendet bereits zu einem früheren Zeitpunkt den von ihm nachgefragten Weiterbildungsabschnitt oder es liegen bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Voraussetzungen für die Anerkennung im Gebiet, Schwerpunkt, Bereich sowie für den Erwerb eines Fachkundenachweises oder einer Bescheinigung über eine fakultative Weiterbildung vor.
Verfügt der weiterbildende Arzt über die volle Weiterbildungsbefugnis beträgt die Mindestbefristungsdauer derzeit daher je nach Fachgebiet fünf bzw. sechs Jahre.
Bei der Novellierung ist zwingend darauf zu achten, dass die neue kompetenzbasierte Musterweiterbildungsordnung nicht zu einer Verschlechterung führt, wenn z.B. einzelne Weiterbildungsabschnitte oder -blöcke bereits eher beendet werden und diese daher als Bezugspunkt für die Befristungsdauer gewählt werden könnten.
Karlsruhe, 21.10.2016
- Beschlüsse der 54. Hauptversammlung(303.0 KB, PDF)