Grundvoraussetzung für den sicheren Umgang mit der Möglichkeit, die Arbeitszeit durch die Kombination mit Bereitschaftsdienst zu verlängern, ist eine genaue und manipulationsfreie Arbeitszeiterfassung. Die bisherige Praxis der Arbeitszeitdokumentation erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Unsystematische - teilweise noch händische - Erfassungen sowie pauschale und nachträgliche Kappungen der geleisteten Arbeitszeit durch den Arbeitgeber sind in den Universitätskliniken an der Tagesordnung. In den Geschäftsführungen fehlt es weitgehend an Unrechtsbewusstsein. Die erfassten Arbeitszeiten werden im Nachgang „passend gemacht“ und Überschreitungen von Höchstgrenzen nicht berücksichtigt.
Deshalb fordern wir eine automatisierte und manipulationsfreie Erfassung der Arbeitszeit. Dabei ist die gesamte Anwesenheitszeit der Ärztinnen und Ärzte als Arbeitszeit zu werten. Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, soll künftig die Verlängerung der täglichen Arbeitszeit durch die Kombination von Vollarbeit und Bereitschaftsdienst zulässig sein. Mit diesen Vorgaben tragen wir auch dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 14. Mai 2019 (C-55/18) Rechnung, das die Arbeitgeber in der Pflicht sieht, die gesamte Arbeitszeit der Mitarbeiter objektiv, verlässlich und zugänglich aufzuzeichnen.
Wie schon in der zurückliegenden Tarifrunde mit den kommunalen Arbeitgebern wollen wir auch in den Verhandlungen mit der TdL eine Reduzierung der zulässigen Zahl an Wochenenddiensten erreichen. Durch Krankenversorgung, Forschung und Lehre sind Ärztinnen und Ärzte in Universitätskliniken besonders belastet. Die hohe Anzahl an Bereitschaftsdiensten lässt ihnen kaum noch Zeit für Familienleben und soziale Teilhabe. Deshalb wollen die Verlängerung der täglichen Arbeitszeit durch die Kombination von Vollarbeit und Bereitschaftsdienst an die Bedingung knüpfen, dass nur an maximal zwei Wochenenden im Kalendermonat Arbeitsleistung angeordnet wird, sei es regelmäßige Arbeit, Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst. Als Wochenende zählt dabei die Zeit von Freitag 18 Uhr bis Montag 7 Uhr. In einer Reihe von Tarifverträgen, so insbesondere im Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzten an kommunalen Kliniken (TV-Ärzte/ VKA), sind vergleichbare Regelungen bereits umgesetzt.
Weitere Voraussetzung für die Verlängerung der täglichen Arbeitszeit durch die Kombination von Vollarbeit und Bereitschaftsdienst soll eine verlässliche Dienstplanung sein. Dienstpläne müssen sechs Wochen vor Beginn des jeweiligen Planungszeitraumes vorliegen und endlich verbindlich sein. Kurzfristige Inanspruchnahmen müssen auf Fälle unvorhersehbarer Personalausfälle beschränkt sein. Damit setzen wir für den jeweiligen Arbeitgeber Anreize, die Arbeitszeit verlässlich zu gestalten und geben den Ärztinnen und Ärzten die gewünschte Planungssicherheit. Kurzfristige Inanspruchnahmen sollen zukünftig mit Sanktionen versehen werden.
Eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben soll auch durch die generelle Begrenzung der Anzahl der Bereitschaftsdienste unterstützt werden. Wir wollen so Arbeitszeitexzesse verhindern und damit auch die Patientensicherheit besser gewährleisten. Bereitschaftsdienste sind notwendig, um den 24-Stunden-Betrieb der Kliniken aufrechtzuerhalten. Wir stellen die Dienste nicht grundsätzlich in Frage, sehen aber vor allem aus Gründen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes die Notwendigkeit, klare Höchstgrenzen als zukünftige Voraussetzung für die Verlängerung der täglichen Arbeitszeit durch die Kombination von Vollarbeit und Bereitschaftsdienst festzulegen. Im Laufe eines Kalendervierteljahres soll daher zukünftig durchschnittlich nur viermal monatlich, maximal sechsmal monatlich und in der einzelnen Kalenderwoche maximal zweimal Bereitschaftsdienst angeordnet werden können.
Ärztinnen und Ärzte haben regelmäßig auch in der Nacht zu arbeiten. Diese Dienste sind besonders belastend - körperlich und mental. Der bislang für die Nachtarbeit vorgesehene Anspruch auf Zusatzurlaub bildet die spezifischen Belastungen, hochqualifizierte medizinische Leistungen rund um die Uhr zu erbringen, nicht adäquat ab. Wir fordern daher - wie in nahezu allen Tarifbereichen längst üblich - einen Anspruch auf Zusatzurlaub auch für nächtliche Bereitschaftsdienste.
Hochspezialisierte Medizin, Forschung und Lehre – dafür stehen die Universitätskliniken und dafür stehen vor allem auch die dort tätigen Ärztinnen und Ärzte. Zweieinhalb Jahre nach dem letzten Tarifabschluss fordern wir daher eine lineare Erhöhung der Entgelte um 6 Prozent bei einer einjährigen Laufzeit. Mit der Schaffung zusätzlicher Stufen für erfahrene Fach- und Oberärztinnen und -ärzte sollen zudem neue Gehaltsperspektiven eröffnet werden, um dadurch der vielfach festzustellenden Abwanderung erfahrener Ärztinnen und Ärzte zu begegnen. Durch die Erhöhung von Zeitzuschlägen, beispielsweise für Nachtarbeit, soll zudem die Arbeit zu ungünstigen Zeiten finanziell besser vergütet werden. Außerdem sollen Teilzeitbeschäftigte zukünftig bereits bei Überschreiten ihrer vertraglich vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit einen Mehrarbeitszuschlag erhalten.
Ein zentraler Punkt in den Verhandlungen ist die Gewährleistung, dass trotz des sogenannten Grundsatzes der Tarifeinheit der arztspezifische Tarifvertrag dauerhaft anwendbar bleibt. Wir erwarten daher von der TdL, dass sie die vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich vorgesehene Abbedingung der Wirkungen des Tarifeinheitsgesetzes anerkennt und mit dem Marburger Bund eine entsprechende Vereinbarung zur Tarifsicherung schließt. Mit sämtlichen Tarifvertragspartnern, mit denen der Marburger Bund nach Erlass des BVerfG-Urteils zum Tarifeinheitsgesetz Tarifverhandlungen geführt hat, wurden solche Regelungen bereits getroffen. Die Tarifsicherung gehört daher auch in der Tarifrunde mit der TdL zur Grundbedingung einer Einigung.
Der in Rede stehende Tarifvertrag (TV-Ärzte) erstreckt sich auf rund 20.000 Ärztinnen und Ärzte in bundesweit 23 Universitätskliniken. Eine Reihe von Unikliniken unterfallen nicht oder nur sehr eingeschränkt dem Geltungsbereich des TV-Ärzte. So haben Berlin und Hessen eigene Tarifverträge für die Ärzte an den dortigen Unikliniken, die von den Landesverbänden des Marburger Bundes ausgehandelt werden. Die Universitätsklinika in Hamburg und Mannheim unterfallen den Regelungen des kommunalen TV-Ärzte/ VKA. Für die Ärztinnen und Ärzte der Universitätsmedizin Mainz existiert ein vom MB Landesverband abgeschlossener Haustarifvertrag.