Der Marburger Bund Sachsen führte unter dem Motto „Ihre Arbeitsbedingungen sollten kein Glücksspiel sein“ im Mai 2024 eine Online-Befragung durch, an der sich 105 ambulant angestellte Ärzte beteiligten. Viele der Befragten zahlen einen stattlichen Preis für ihre ärztliche Tätigkeit jenseits von Diensten und Opt-out. Die 25 Männer und 80 Frauen, die sich an der Umfrage beteiligten, haben ganz unterschiedliche Konditionen mit ihren jeweiligen Arbeitgebern vereinbart. Was die meisten eint, ist das Fixgehalt. Lediglich 16 Prozent der Befragten gibt an, dass sich ihr Gehalt dynamisch entwickelt. „Das vereinbarte Entgelt sollte an Tariflohnerhöhungen zum Beispiel des Tarifvertrags Ärzte/VKA gekoppelt werden, der aktuell für rund 60.000 Ärzte in kommunalen Krankenhäusern gilt. In diesem Tarifvertrag werden durch das gewerkschaftliche Engagement tausender MB-Mitglieder in monatelangen Verhandlungen in jeder Tarifrunde Gehaltssteigerungen erreicht, die ein einzelner Arbeitnehmer nur schwer durchsetzen kann. Mit einer Kopplung des Gehalts an die Tariflohnentwicklung des TV-Ärzte/VKA im Arbeitsvertrag sichert sich ein Arzt auch im ambulanten Sektor eine angemessene Gehaltsentwicklung“, empfiehlt Oliver Voigt, Verbandsjurist beim MB Sachsen. Im TV-Ärzte/VKA stieg das Entgelt nach zähen Verhandlungen im vergangenen Jahr zuletzt um 8,8 Prozent in zwei Schritten. In der aktuellen Verhandlungsrunde fordert die Kleine Tarifkommission des MB 8,5 Prozent Entgeltsteigerung.
Grundgehalt bei vielen zu niedrig
Zu den sensibelsten Fragen der Umfrage gehörte die nach dem monatlichen Bruttogehalt. Die Angaben der 93 Personen, die diese Frage beantworteten, unterscheiden sich stark. Der Marburger Bund empfiehlt ambulant angestellten Ärztinnen und Ärzten, eine Vergütung auszuhandeln, die sich an der Eingruppierung als (leitender) Oberarzt entsprechend TV-Ärzte/VKA orientiert, da ein Facharzt im MVZ selbstständige medizinische Verantwortung trägt. Bei einer Vollzeitstelle könnte ein Facharzt im MVZ demnach ein Brutto-Grundgehalt zwischen 8.742,54 und 9.991,49 Euro pro Monat fordern. Die Realität in den Praxen sieht anders aus: Die Hälfte der befragten Fachärztinnen und ein gutes Drittel der befragten Fachärzte mit Leitungs- oder Managementaufgaben liegt unter dieser Mindestempfehlung. Als Reaktion auf die Rekordinflation der letzten Jahre können Arbeitnehmer noch bis Ende 2024 eine steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichprämie von bis zu 3.000 Euro pro Jahr von ihrem Arbeitgeber erhalten. Sowohl in den Flächen- als auch in den Haustarifverträgen, die für sächsische Ärzte gelten, vereinbarte der MB solche Einmalzahlungen in unterschiedlicher Höhe. Auch das Praxispersonal profitierte vielerorts von dieser Prämie. Zu den wenigen, die leer ausgehen, gehören ambulant angestellte Ärzte. Rund 70 Prozent der Teilnehmer an der MB Sachsen-Umfrage haben keine solche Prämie erhalten.
Kompetenz bei Verhandlungen
Der Arbeitsvertrag sollte genau wie ein Tarifvertrag auch die Anzahl der Fortbildungstage regeln. Gut die Hälfte der Befragten erhält drei oder mehr Fortbildungstage. Bei über einem Drittel sieht der Arbeitsvertrag überhaupt keine Fortbildungstage vor. Zum Vergleich: Den Kolleginnen und Kollegen im Geltungsbereich des TV-Ärzte/VKA stehen pro Jahr drei Tage für Fortbildungen zur Verfügung. Eine große Bandbreite zeigt die Umfrage auch bei Regelungen zu Überstunden oder der Vergütung von KV-Diensten. „Wie zufriedenstellend der Arbeitsvertrag für den Arbeitnehmer ist, hängt vom eigenen Verhandlungsgeschick ab. Leider ist ein Arzt, der mit den Personalverantwortlichen eines MVZ verhandelt, bei arbeitsrechtlichen Sachverhalten in der Regel im Nachteil“, erklärt Steffen Forner, Jurist und Geschäftsführer des MB Sachsen. Er verhandelt gemeinsam mit ärztlichen Tarifkommissionen für 39 Kliniken in Sachsen arztspezifische Haustarifverträge und weiß: Sorgfältig erarbeitete Forderungen sind die Basis eines für den Arbeitnehmer zufriedenstellenden Verhandlungsergebnisses. Allerdings zeigen die Umfrageergebnisse, dass Ärzte in Weiterbildung und Frauen in Vertragsverhandlungen weniger Forderungen stellen als Fachärzte und männliche Ärzte. Bei der Durchsetzung der Forderungen waren aber die weiblichen Befragten erfolgreicher. Weit mehr als die Hälfte der Befragten fühlte sich allerdings nicht als gleichwertiger Verhandlungspartner.
MB-Mitglieder sind im Vorteil
Sieben von zehn Befragten wünschen sich einen Tarifvertrag. Nur gut ein Viertel sieht seine Arbeitnehmerrechte gut vertreten. Die Zufriedenheit mit dem eigenen Arbeitsvertrag fällt höchst unterschiedlich aus, im Durchschnitt werden 64 von 100 möglichen Punkten vergeben. Zu wenig, findet Dr. Sandy Zorn, Mitglied im Landesvorstand des MB Sachsen und im Arbeitskreis Ambulante Medizin des MB Bundesverbandes: „Auch im ambulanten Bereich gehören Ärzte zu gefragten Arbeitskräften. Wir arbeiten eigenständig,
tragen viel Verantwortung und sind essenziell für die Gesundheitsversorgung in Sachsen. Wir verdienen faire und vergleichbare Arbeitsverträge, die eben kein Glücksspiel sind, sondern unseren Kompetenzen und Leistungen entsprechen!“ Was anscheinend viele ambulant angestellte Ärzte nicht wissen: Sie sind bei der Verhandlung ihres Arbeitsvertrags nicht auf sich allein gestellt. Obwohl 84 Prozent der Befragten Mitglied im Marburger Bund sind, haben nur 29 Prozent ihren Arbeitsvertrag vor Unterschrift von einem Verbandsjuristen prüfen lassen. „Der Marburger Bund ist kein Verband allein der Krankenhausärzte, sondern der Verband aller angestellten Ärzte! Unsere Leistungen wie die kostenfreie Rechtsberatung und Prüfung von Arbeitsverträgen können natürlich auch Mitglieder nutzen, die ambulant angestellt arbeiten“, betont Torsten Lippold, Landesvorsitzender des MB Sachsen.
* Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird im Text das generische Maskulinum verwendet. Gemeint sind jedoch immer alle Geschlechter.
Die Ergebnisse in Zahlen
Hier finden Sie die Ergebnisse unserer Umfrage grafisch dargestellt.