Die Bundesärztekammer hatte auch Studierende der Humanmedizin um Unterstützung gebeten. Die gesetzlichen Voraussetzungen hat inzwischen der Bundesgesetzgeber geschaffen. Für die Studierenden stellen sich in diesem Zusammenhang zahlreiche haftungs- und prüfungsrechtlichen Fragen. Ebenso wichtig ist auch, auf welcher arbeitsrechtlichen Grundlage ein Einsatz von Studierenden stattfindet.
Aus diesem Grund hat der Marburger Bund für seine Studierende einen Blick auf die unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten geworfen und ein Merkblatt erstellt, das auf einzelne Fallstricke hinweist.
Sofern es sich bei dem Einsatz als Studierender in Einrichtungen des Gesundheitswesens nicht ausdrücklich um ein Ehrenamt handelt, ist aus arbeitsrechtlicher Sicht in aller Regel von der Begründung eines Arbeitsverhältnisses auszugehen. Es gilt die Faustformel: nehmen Sie mit Billigung des Arbeitgebers ohne schriftlichen Arbeitsvertrag die Arbeit auf, ist damit ein unbefristeter Arbeitsvertrag geschlossen worden. Die damit verbundenen Regeln gelten weitgehend unabhängig davon, wie dieses Arbeitsverhältnis bezeichnet wird. Also egal, ob geringfügige Beschäftigung oder Aushilfsarbeit, „HiWi“- oder Studentenjob, die arbeitsrechtlichen Grundsätze und Ansprüche sind die gleichen.
Hinsichtlich des Inhaltes des Arbeitsverhältnisses, also insbesondere im Hinblick auf die jeweiligen Pflichten und Rechte von Arbeitnehmer und Arbeitgeber, gilt dabei folgendes: Grundsätzlich richtet sich der Inhalt des Arbeitsverhältnisses nach den Festlegungen des Arbeitsvertrages. Wichtig - aber keine Voraussetzung für die Wirksamkeit - ist dabei, diesen schriftlich zu fixieren. Schon damit alle Beteiligten wissen, was von Ihnen erwartet wird. Gibt es keinen schriftlichen Arbeitsvertrag oder sind bestimmte Dinge nicht geregelt, gelten grundsätzlich die gesetzlichen Mindestarbeitsbedingungen, die in einer Vielzahl unterschiedlicher Gesetze (z.B. Bundesurlaubsgesetz, Arbeitszeitgesetz etc. [siehe unten]) geregelt sind.
Will der Arbeitgeber statt eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses eine Befristung vereinbaren, bedarf diese zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Wir gehen davon aus, dass im Rahmen der Corona-Pandemie die meisten Arbeitsverhältnisse mit Studierenden befristet abgeschlossen werden. Wann eine Befristung möglich ist, bestimmt sich in aller Regel nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz, welches weitreichende Möglichkeiten für befristete Arbeitsverhältnisse schafft. Die Befristung kann mit einem bestimmten Grunde erfolgen - etwa ein vorübergehender Bedarf der Arbeitsleistung. Der Grund für die Befristung muss im Vertrag nicht angegeben werden, er muss nur vorhanden sein. Wenn die Beschäftigung nicht länger als zwei Jahre dauern soll und keine vorherige Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber stattgefunden hat, kann die Befristung auch sachgrundlos erfolgen (§ 14 Abs. 2 TzBfG).
Die Besonderheit beim befristeten Arbeitsverhältnis liegt in seiner Beendigung. Es endet, sobald der mit der Befristung verfolgte Zweck oder ein vorher bestimmter Zeitpunkt erreicht ist. Eine vorherige Kündigung ist nur möglich, wenn dies im Arbeitsvertrag vorgesehen ist.
Wird die sogenannte Befristungsabrede nicht schriftlich fixiert, gilt trotz abweichenden Willens des Arbeitgebers ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis als begründet.
Dieses bedarf zu seiner Beendigung in aller Regel einer schriftlichen Kündigung; §§ 622 I, 623 BGB. Für den Arbeitnehmer ist diese grundsätzlich ohne Angaben von Gründen unter Einhaltung der (gesetzlichen oder arbeitsvertraglichen) Kündigungsfrist möglich. Der Arbeitgeber bedarf allerdings unter besonderen Voraussetzungen1 stets eines Kündigungsgrundes zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung.
1 Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) findet Anwendung bei Betrieben mit in der Regel mehr als 10 Vollzeitbeschäftigten, gilt für den einzelnen Beschäftigten aber erst nach Erfüllung einer Wartezeit von 6 Monaten Betriebszugehörigkeit.
Tarifverträge enthalten Arbeitsbedingungen für eine Vielzahl von Beschäftigten in ihrem Geltungsbereich. Die arztspezifischen Tarifverträge des Marburger Bundes setzen allerdings die ärztliche Approbation oder zumindest die Berufserlaubnis als Arzt oder Zahnarzt voraus, können also für Arbeitsverhältnisse von Studierenden der Humanmedizin nicht ohne Weiteres herangezogen werden. Sofern Sie bereits eine abgeschlossene Berufsausbildung -etwa im Bereich der Krankenpflege- vorweisen können und Sie bei Ihrer Mitarbeit auch entsprechend dieser Ausbildung eingesetzt werden, kann sich Ihr Arbeitsverhältnis durchaus nach den Regelungen des jeweiligen Tarifvertrages richten.
Abgesehen von ehrenamtlichen und damit in aller Regel unentgeltlichen Tätigkeiten können auch Studierende in einem Arbeitsverhältnis zu Recht erwarten, für ihre Tätigkeit ein angemessenes Entgelt zu erhalten. Anders als im Geltungsbereich der arztspezifischen Tarifverträge des Marburger Bundes, die - wie gesagt - die Approbation oder zumindest die Berufserlaubnis als Arzt oder Zahnarzt voraussetzen, oder im Falle der Anwendung etwaiger anderer Tarifverträge (siehe oben), richtet sich der Vergütungsanspruch des studentischen Arbeitnehmers nach den Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber.
Gibt es keine diesbezügliche Vereinbarung, ordnet § 612 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) an, dass die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen ist. Üblich ist dabei die für die gleiche oder ähnliche Tätigkeit gezahlte Vergütung unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des jeweiligen Arbeitnehmers. In aller Regel bilden - auch wenn eine unmittelbare Anwendung ausgeschlossen ist - Tarifverträge die Grundlage für den Maßstab der üblichen Vergütung. Den tarifvertraglichen Entgeltregelungen kommt also eine gewisse Indizwirkung für die Frage der Üblichkeit der Vergütung zu. Hierbei können die vom MB für Ärztinnen und Ärzte vereinbarten Entgelte aber leider nicht als Basis herangezogen werden, da diese die Approbation voraussetzen.
Helfen auch der Blick in den Tarifvertrag oder sonstige Umstände nicht weiter, gilt in Deutschland zumindest der gesetzliche Mindestlohn in Höhe von 9,35 Euro pro Zeitstunde im Jahr 2020. Werden Sie im Rahmen Ihrer Mitarbeit in einer Einrichtung eingesetzt, die unter den Anwendungsbereich der Pflegemindestlohnverordnung1 fällt und üben Sie dabei eine entsprechende pflegerische Tätigkeit aus, kann davon abweichend auch ein anderer Mindestlohn2 gelten.
In jedem Fall sollte die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit im Arbeitsvertrag angegeben werden, damit auch bei Vereinbarung eines Stundenentgelts klar ist, mit welchen Entgelt zu rechnen ist.
Selbst wenn der Arbeitsvertrag keine Aussage trifft, haben auch studentische Arbeitnehmer Anspruch auf bestimmte gesetzliche Mindestarbeitsbedingungen. Das betrifft so selbstverständliche Fragen wie Ansprüche auf Pausen und Ruhezeiten (Arbeitszeitgesetz), Mindesturlaub (20 Arbeitstage bei einer 5-Tage-Woche; Bundesurlaubsgesetz) oder Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (6 Wochen nach Erfüllung der vierwöchigen Wartezeit; Entgeltfortzahlungsgesetz).
Das COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz sieht vor, dass Einkommen aus einer anlässlich der Bekämpfung der durch das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 ausgelösten Pandemie aufgenommenen Tätigkeit in oder für eine Gesundheitseinrichtung oder eine sonstige soziale Einrichtung zur Unterstützung der Bekämpfung der Pandemie und deren sozialen Folgen erzielt, weitgehend nicht auf das Einkommen angerechnet wird. Damit kommt der Gesetzgeber auch einer Forderung des Sprecherrats der Medizinstudierenden im Marburger Bund entgegen.
1 Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) findet Anwendung bei Betrieben mit in der Regel mehr als 10 Vollzeitbeschäftigten, gilt für den einzelnen Beschäftigten aber erst nach Erfüllung einer Wartezeit von 6 Monaten Betriebszugehörigkeit.
2 Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen, die überwiegend ambulante, teilstationäre oder stationäre Pflegeleistungen oder ambulante Krankenpflegeleistungen für Pflegebedürftige erbringen. Keine Pflegebetriebe in diesem Sinne sind u.a. Krankenhäuser; § 1 Abs. 1 Dritte PflegearbeitsbedingungenVO.
3 Seit Januar 2020 bis 30. April 2020: 10,85 € (Ost)/ 11,35 € (West) pro Stunde.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Arbeit tatsächlich im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit erbracht wird. Auch hier wird mitunter mit einer Vielzahl verschiedener Bezeichnungen gearbeitet, die jedoch im Kern alle dasselbe bedeuten. Die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien richten sich (weitgehend) nicht nach den Regelungen des Arbeitsrechts, sondern denen des Dienstvertragsrechts. Ein Arbeitsverhältnis soll nicht begründet werden, stattdessen wird eine selbständige oder Honorartätigkeit erbracht. Ob eine solche Lösung aber in arbeits- und vor allen Dingen sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht überhaupt Bestand hat, ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig. Das Bundessozialgericht hat 2019 entschieden, dass Honorarärzte und –pflegekräfte in einem Krankenhaus regelmäßig keine Selbstständigen und Einkünfte damit sozialversicherungspflichtig sind. Begründet wurde dies mit der Weisungsgebundenheit und Eingliederung in die Arbeitsorganisation. Gleiches dürfte für studentische Honorarkräfte in der Klinik gelten.
Uns erscheint die Vorgehensweise, Studierende im Rahmen der momentanen Situation in einem freien Dienstverhältnis oder einer selbständigen Tätigkeit zu beschäftigen, als Versuch, zwingende gesetzliche Vorgaben zu umgehen. Wir raten daher von einer solchen Konstruktion grundsätzlich ab. Das gilt insbesondere auch, weil sie für beide Seiten erhebliche finanzielle, versicherungsrechtliche und möglicherweise sogar strafrechtliche Risiken birgt.
Die Tätigkeiten im Praktischen Jahr stellen einen Sonderfall dar, weil das PJ der letzte Studienabschnitt ist und damit Teil der universitären Ausbildung. Auf alle Geld- und Sachleistungen, die in dieser Zeit von den Lehreinrichtungen als „Aufwandsentschädigung“ gewährt werden, gibt es bisher keinen rechtlichen Anspruch. Sie sind nach § 13 Absatz 1 Nummer 2 und Absatz 2 Nummer 2 auf den BAföG-Höchstsatz gedeckelt und stellen keine Vergütung aus einem Arbeitsverhältnis dar.
Nach der aktuellen Abweichungsverordnung zur ÄApprO hat sich das BMG erstmals positiv zu der langjährigen Forderung des Marburger Bundes nach einer bundeseinheitlichen Aufwandsentschädigung für das Praktische Jahr geäußert und die Krankenhäuser aufgefordert, diese zu zahlen. Leider steht dies in der Begründung und nicht im Verordnungstext selbst, wodurch es lediglich Appellcharakter hat und nicht rechtlich bindend ist. Außerdem soll das Ganze nur während der epidemischen Notlage und ausschließlich in stationären Einrichtungen sowie für diejenigen gelten, die das vorzeitige PJ machen – also für alle anderen Studierenden im regulären PJ nicht. Die Argumentation des Gesetzgebers ist, dass im COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz den Krankenhäusern hierfür aktuell zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung stünden.
Das reicht dem Marburger Bund nicht aus. Er erwartet, dass alle stationären und ambulanten Lehreinrichtungen auch außerhalb epidemischer Notlagen den Medizinstudierenden im Praktischen Jahr eine angemessene, existenzsichernde Aufwandsentschädigung zahlen. Es muss im Bewusstsein der Politik ankommen, dass die Studierenden im PJ nicht nur dann finanziell unterstützt werden müssen, wenn man sie „offiziell“ für die Versorgung braucht und nicht nur faktisch wie sonst.
Anders als bei den Arbeitsbedingungen können sich aus dem Studierenden-Status in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht große Unterschiede ergeben. Die wesentlichsten Unterschiede knüpfen zum einen am Entgelt (zum Beispiel hinsichtlich des BAföG-Anspruches oder der Versicherungspflicht) oder an der Arbeitszeit beziehungsweise an beiden Faktoren (Familienversicherung, Werksstudentenprivileg) an. Da die jeweiligen Auswirkungen - sowohl in finanzieller Hinsicht als auch hinsichtlich des Status als Studierender- teilweise erheblich sein können, raten wir dringend dazu, vor Aufnahme einer Beschäftigung diese Fragen mit dem zukünftigen Arbeitgeber und mit Ihrer Krankenkasse zu klären. Darüber hinaus empfiehlt sich auch ein Blick in die jeweilige Ausbildungsordnung der Hochschule, die gegebenenfalls besondere Vorgaben zum zeitlichen Umfang einer studentischen Nebentätigkeit enthalten kann.
Aufgrund der epidemischen Lage werden besondere Herausforderungen auf die Studierenden zukommen. Besonders im Praktischen Jahr wird die Ausbildung voraussichtlich anders aussehen als bisher und vor allem auf die Patientenversorgung ausgerichtet sein. Das Bundesgesundheitsministerium hat in der Begründung zu seiner „Abweichungsverordnung von der ÄApprO“ https://www.bundesgesundheitsministerium.de/abweichung-approbationsordnung.html bereits darauf hingewiesen, dass die Studierenden bei ihrer Tätigkeit in der Krankenversorgung angemessen geschult und angeleitet werden müssen. Darauf sollten Sie bestehen, auch wenn die Situation vor Ort noch so schwierig ist, und keine Aufgaben übernehmen, für die Sie sich nicht ausreichend ausgebildet oder angeleitet sehen (siehe auch Frage 7 der Corona-FAQ https://www.marburger-bund.de/corona-arbeitsrechtliche-fragen).
Weil aber trotzdem immer etwas passieren und ein Schaden eintreten kann, ist es wichtig, einen ausreichenden Haftpflichtschutz zu besitzen. Studierende sollten sich daher – unabhängig davon ob die Tätigkeit im Rahmen des PJ erfolgt oder nicht - zunächst in der Einrichtung, in der sie eingesetzt werden, erkundigen, ob eine ausreichende Betriebshaftpflicht oder vergleichbare kom-munale Lösung besteht und ob diese auch die Tätigkeiten umfasst, für die der oder die Studierende während der „epidemischen Notlage“ eingesetzt wird. Die entsprechende Zusage sollten sie sich schriftlich bestätigen lassen.
Unabhängig hiervon bietet die Berufshaftpflichtversicherung der DÄV, die der Marburger Bund bei einer Mitgliedschaft Studierenden beitragsfrei anbietet, neben dem „normalen“ allgemeinen Versi-cherungsschutz eine Sonderabsicherung für die Einsätze in der Patientenversorgung während der Corona-Krise. Dieser Schutz umfasst alle unterstützenden Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 im Gesundheitssektor.
Wichtig: Die Haftpflichtversicherung besteht nicht automatisch mit der Mitgliedschaft, sondern muss beantragt werden.
Für weitere Fragen können sich Mitglieder des Marburger Bundes Sachsen
- per E-Mail (mitglied@mb-sachsen.de)
- telefonisch (0351 4755420)
an die Geschäftsstelle des MB Sachsen wenden. Unsere Juristen werden Sie gern beraten.