Betriebsratsmitglied darf Gewerkschaft über bevorstehenden Personalabbau informieren
Der Fall
Ein Unternehmen plante, drei Abteilungen zu schließen. Über diesen Entschluss informierte der Arbeitgeber zwei Mitglieder des Betriebsrats. Einer der beiden gab sein Wissen an ein in einem Außenlager des Betriebes beschäftigten gewerkschaftlich organisierten Betriebsratskollegen weiter und lud ihn zu einer bevorstehenden Betriebsratssitzung ein. Zugleich bat er ihn auf Wunsch des Arbeitgebers um absolutes Stillschweigen. Dessen ungeachtet unterrichtete der Gewerkschafter umgehend seine Organisation, um Rechtsrat einzuholen und in Erfahrung zu bringen, welche Handlungsmöglichkeiten der Betriebsrat hat. Der Arbeitgeber und die Mehrheit im Betriebsrat warfen dem gewerkschaftlich organisierten Betriebsratsmitglied vor, gegen seine Geheimhaltungspflicht verstoßen zu haben, indem er seiner Gewerkschaft Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verraten habe. Sie verlangten daher den Ausschluss des „Verräters“ aus dem Gremium.
Die Entscheidung
Das Gericht wies den Ausschlussantrag als unbegründet ab. Der Geheimhaltungspflicht des § 79 BetrVG unterlägen nur Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Ein dem Betriebsrat mitgeteilter geplanter Personalabbau stelle kein Geheimnis in diesem Sinne dar. Eine den Ausschluss aus dem Gremium rechtfertigende grobe Verletzung gesetzlicher Pflichten liege somit nicht vor. Jedes Betriebsratsmitglied sei berechtigt, sich auf eine bevorstehende Betriebsratssitzung angemessen vorzubereiten, wozu auch die Einholung von Rechtsrat der Gewerkschaft gehören könne. Es sei insoweit nicht gehalten, das in § 31 BetrVG vorgesehene Verfahren auf Teilnahme eines Gewerkschaftsvertreters an den Betriebsratssitzungen einzuhalten (Hessisches LAG, Beschluss vom 20.03.2017, Az.: 16 TaBV 12/17).
Fazit
Hat ein Arbeitgeber das Betriebsratsgremium oder einzelne seiner Mitglieder bereits offiziell über eine geplante Teilbetriebsstilllegung (Betriebsänderung im Sinne des § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG) informiert, so ist der geplante Personalabbau kein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 79 BetrVG. Eine konsequente und überzeugende Entscheidung der Frankfurter Arbeitsrichter. Wieso sollte sich ein gewerkschaftlich organisiertes Betriebsratsmitglied bei seiner Gewerkschaft keinen Rat einholen dürfen, wenn ein etwaiges Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis längst keines mehr ist, weil andere Betriebsratskollegen bereits darüber informiert sind? Erfreulich ist auch der Umstand, dass der Arbeitgeber und die Mehrheit im Betriebsrat hier mit dem Versuch gescheitert sind, ein gewerkschaftlich organisiertes Betriebsratsmitglied loszuwerden.
Was sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse?
Sämtliche auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung das Unternehmen ein berechtigtes Interesse hat, werden als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse bezeichnet. Bei den Betriebsgeheimnissen handelt es sich im Wesentlichen um technisches Wissen im weitesten Sinne, während Geschäftsgeheimnisse vornehmlich kaufmännisches Wissen betreffen. Zu den Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen eines Unternehmens zählen z. B.:
- Geschäftsbücher,
- Umsätze,
- Ertragslagen,
- Kundenlisten,
- Bezugsquellen,
- Konditionen,
- Marktstrategien,
- Unterlagen zur Kreditwürdigkeit,
- Kalkulationsunterlagen,
- Patentanmeldungen sowie
- sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte, durch die die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens wesentlich bestimmt werden können.
Hinweis
Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, die Betriebsratsmitgliedern aufgrund ihrer Funktion als betriebliche Interessenvertreter bekannt geworden sind und die der Arbeitgeber ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet, dürfen Betriebsratsmitglieder nicht preisgeben.