Dreiviertel der befragten Krankenhausärztinnen und -ärzte gaben an, dass sie innerhalb der letzten zehn Tage die Behandlung von Nicht-Coronapatienten einschränken mussten, weil Coronapatienten verstärkt Kapazitäten binden. Der eklatante Personalmangel in den bayerischen Kliniken beeinträchtigt mittlerweile die Qualität der Patientenversorgung und zwingt die Ärztinnen und Ärzte in der aktuellen Coronalage zu priorisieren. Konkret führt die unzureichende personelle Besetzung in den Krankenhäusern zur Einschränkung des Elektivprogramms, d.h. geplante Operationen, die nicht als Notfall qualifiziert werden, finden nicht oder nur eingeschränkt statt. Es mangelt an Aufnahmekapazitäten, vor allem auf den Intensivstationen, und es kommt verstärkt zu Bettensperrungen, d.h. vorhandene Krankenhausbetten sind personalbedingt nicht betreibbar.
„Aus Sicht des Marburger Bundes Bayern ist es wissenschaftlich und gesellschaftlich dringend geboten, sich so schnell wie möglich impfen zu lassen, sofern dies medizinisch möglich ist“, appelliert Dr. Andreas Botzlar,Landesvorsitzender des MB Bayern. „Das gilt nicht nur für das medizinische Personal, sondern für alle Angestellten im Krankenhaus. Den größten Schutz für Patientinnen und Patienten bietet die Impfpflicht für alle“, so Botzlar.
Die Lage ist ernst! Wie ernst das zeigen die Berichte der Ärztinnen und Ärzte in der Umfrage. Mehr als ein Drittel der befragten Ärzteschaft befürchtet, dass in vier Wochen die Kapazitätsgrenzen erreicht sind. Nur 40 Prozent glauben unter den aktuellen Bedingungen noch vier Wochen weiterarbeiten zu können, 27 Prozent wissen es nicht oder erklären, dass sie keine andere Wahl haben, als weiter zu arbeiten. Vor einem Jahr, zu Beginn der zweiten Welle, waren noch 56 Prozent davon überzeugt, dass sie weitere vier Wochen und darüber hinaus durchhalten.
„Die Landesregierung ist auf dem richtigen Weg, elektive Eingriffe zu unterbinden. Dies belegen auch die Zahlen unserer Umfrage. Die Lage ist jedoch äußerst kritisch, nicht nur wegen der Ansteckungsgefahr durch die Deltavariante, sondern weil bereits seit Jahren ein Kapazitätsabbau in den Kliniken zu beobachten ist“, erklärt Botzlar.
Der Personalmangel in der Pflege und im ärztlichen Bereich ist ein strukturelles Problem, das längst vor der Pandemie bestand. Die dramatische Situation im pflegerischen Bereich wird jetzt endlich in der breiten Öffentlichkeit diskutiert und hat die Politik zu ersten Maßnahmen motiviert. Das hat den Druck auf die Ärztinnen und Ärzte weiter erhöht.
Die Ärztinnen und Ärzte konnten in der Sommerpause nicht verschnaufen, sondern mussten die Eingriffe nachholen, die im Frühjahr ausgefallen sind. Nun sind die bayerischen Ärztinnen und Ärzte am Anschlag!
Die notorischen Unterbesetzung der Abteilungen und aktuell zusätzlich der verstärke Einsatz von Assistenzärzten auf Covid-Stationen, gefährdet zusätzlich die ärztliche Weiterbildung in den Kliniken, die aufgrund des Zeit- und Personalmangels nicht mehr adäquat stattfinden kann. Nahezu zwei Drittel der jungen Ärztinnen und Ärzte in Bayern sind mit ihrer derzeitigen Weiterbildung zum Facharzt nicht oder kaum zufrieden.
Über 45 Prozent der Klinikärztinnen und -ärzte in Weiterbildung streben aufgrund der Arbeitsbedingungen an, die Krankenhäuser zu verlassen - bestenfalls wandern diese in den ambulanten Bereich ab, schlimmstenfalls kehren sie nach ihrer Facharztprüfung dem kurativen Bereich ganz den Rücken. Diese dringend benötigten künftigen Fachärztinnen und Fachärzte gehen den Kliniken dauerhaft verloren.
Hier finden Sie die Zusammenfassungen unserer Befragungen zur Coronasituation in den bayerischen Krankenhäusern und zum MB Monitor ärztliche Weiterbildung sowie einer Übersicht der aktuellen Ergebnisse der Corona-Umfrage zum Download.
Das Video zur Pressekonferenz finden Sie hier.
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Karin Lange
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Der Marburger Bund ist der Verband aller angestellten und beamteten Ärztinnen und Ärzte. Mit rund 128.000 Mitgliedern ist er der größte deutsche Ärzteverband mit freiwilliger Mitgliedschaft und Deutschlands einzige Ärztegewerkschaft.