Rudolf Henke wies darauf hin, dass sich bereits der 125. Deutsche Ärztetag 2021 dafür ausgesprochen hatte, die Cross-over-Lebendspende in Deutschland wie in anderen europäischen Ländern zu ermöglichen. In der Regel kommt dieses Verfahren bei Nierentransplantationen infrage. Dabei wird eine Niere von einem Spender-Empfänger-Paar A an ein geeignetes zweites Paar B übertragen, so dass zwei Lebendorganspenden kreuzweise durchgeführt werden können (also Spender A/Empfänger B und umgekehrt).
„Die begrüßenswerte Gesetzesinitiative ist ein weiterer Baustein, um die Not der Menschen auf den Spenderwartelisten in Deutschland zu mindern“, erklärte der nordrheinische Kammerpräsident. „Und auch wenn nach neustem Report der Deutschen Stiftung Organtransplantation die Zahl der Organspender 2023 um elf Prozent auf 965 Spender (2022 waren es 869) angestiegen ist, so sind wir leider immer noch weit von unserem Ziel entfernt, schwer kranken Menschen auf den Wartelisten zeitnah ein Spenderorgan zur Verfügung stellen zu können. Allein 289 Menschen sind im vergangenen Jahr verstorben, bevor ihnen eine passende Niere transplantiert werden konnte.“
„Um die Zahl der Organspenden signifikant zu erhöhen“, sagte Henke weiter, „brauchen wir neben der zuverlässigen Identifizierung möglicher Organspender in den Entnahmekrankenhäusern weiterhin die Förderung der Spendenbereitschaft in der Bevölkerung.“
Um dieses Ziel zu erreichen, will sich der Bundesrat auf Initiative von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann am 14. Juni mit einer erneuten Gesetzesinitiative zur Einführung der Widerspruchslösung beschäftigen. Die Kammerversammlung der nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte hatte bereits am 2. März dieses Jahres die entsprechende Ankündigung Laumanns begrüßt.
Bei der Widerspruchslösung gilt jeder Mensch als potenzieller Organspender, wenn er einer Spende nicht aktiv widersprochen hat.
„Wir wissen, dass die Organspende ein hochemotionales Thema ist, das herausfordert, sich mit dem eigenen Tod und dem Tod von Angehörigen auseinanderzusetzen“, betonte Henke. „Wenn diese nötige Auseinandersetzung in der Gesellschaft, in Schulen, Universitäten, Betrieben und in den Familien nicht offen erfolgt und in einem Organspendeausweis oder in dem neuen Organspende-Register dokumentiert wird, dann ist es im hochemotionalen Krisenfall leider oft zu spät. Entscheidend ist, sich mit den Ängsten und Fragen der Menschen vor einer Entscheidung zu befassen. Hier sind wir als Ärzteschaft gefragt, denn uns vertrauen die Bürgerinnen und Bürger.“