Verglichen mit dem Jahr 1990 hat sich die Zahl berufstätiger Ärzte zwar um rund 60 Prozent erhöht. Die Steigerung der Ärztezahl ist beachtlich, aber sie reicht noch lange nicht, um die vorhandenen Kapazitäten vor Ort zu decken. Ärztemangel ist beileibe kein neues Phänomen.
Trotz der leicht gestiegenen Ausbildungsplatzkapazitäten an den medizinischen Fakultäten wird keine ausreichende Zahl an Ärztinnen und Ärzten ausgebildet. Nach wie vor schlägt sich die gesamtgesellschaftliche Entwicklung hin zu mehr Teilzeitarbeit und weniger Überstunden auch in der Ärzteschaft nieder. Dadurch sind mehr Köpfe nötig, um die freien Stellen in der medizinischen Versorgung zu besetzen und die Zahl der zur Verfügung stehenden Arztstunden konstant zu halten – und das bei steigenden Behandlungszahlen.
76 Prozent der Krankenhäuser hatten vor drei Jahren Probleme, offene Arztstellen wieder zu besetzen. Über 3.300 unbesetzte ärztliche Vollstellen meldeten die Kliniken bereits im Jahr 2019. „Es gibt keine Prognose des Bedarfs in der Zukunft“, betonte Claudia Brase.
Wie steht es um den Nachwuchs? Derzeit studieren insgesamt über 100.000 jungen Frauen und Männer Humanmedizin, aber auch das wird nicht reichen, um den Versorgungsbedarf abzudecken. Seit 1999 studieren mehr Frauen als Männer Humanmedizin, mittlerweile sind fast zwei Drittel der Studierenden Frauen.
Claudia Blase bemängelte an der aktuellen Situation die mangelnde Refinanzierung der Personalkosten und Tarifsteigerungen, die aktuelle Kostensteigerung durch die Inflation, die jährlich fehlende Investitionskostenfinanzierung in Höhe von 3,2 Milliarden Euro und den noch nicht erfolgten Bürokratieabbau.
„Je jünger, desto höher ist der Frauenanteil“, bilanzierte im nächsten Referat Dr. Stefan Hofmeister, stellv. Vorstandsvorsitzender der KBV im Verlauf der 139. MB-Hauptversammlung in Bremen.
Wie verändert sich dadurch das Gesundheitswesen? Welche Wege gehen die jungen Ärztinnen und Ärzte? Ein Drittel der Ärztinnen geht in die außerklinische Angestelltentätigkeit. 22 Prozent der jungen Ärztinnen und Ärzte lässt sich nieder oder wird selbstständig. Ein hoher Teil der jungen Ärztegeneration strebe in der Niederlassung aber nur eine Teilzeittätigkeit an.
„Die Vermittlung der Weiterbildung in Kliniken werde derweil eher kritisch bewertet“, meinte Hofmeister weiter. In der ambulanten Tätigkeit seien für junge Ärztinnen und Ärzte die Arbeitszeiten planbarer. Die unschlagbaren Vorteile der ambulanten Tätigkeit gegenüber der Tätigkeit in der Klinik seien zudem mehr Flexibilität, mehr Teilzeitmöglichkeit und mehr Zeit für das Familienleben.
Die Einzelpraxis ist dabei aber nur noch selten ein Ziel. Die Hälfte der jungen Ärztinnen und Ärzte suchen in der Niederlassung eine Gemeinschaftspraxis: MBZ (19,87 Prozent), Praxisgemeinschaft (10,5 Prozent), ambulant angestellt (12,72 Prozent), Einzelpraxis nur noch fünf Prozent. Hofmeisters Fazit: „Die ambulante Versorgung wird in Zukunft mit Sicherheit im Team stattfinden.“