„Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ könne keine Grundlage für die intensivmedizinische Behandlung von Patientinnen und Patienten sein, so der Ärztekammerpräsident weiter. Es sei vielmehr Kern ärztlichen Handelns, kontinuierlich den Zustand eines Patienten zu überwachen und das Krankheitsgeschehen und die Indikationen für eine Behandlung unter Berücksichtigung des Patientenwillens immer wieder neu zu bewerten.
Daher müsse es auch in Zukunft möglich sein, nach sorgfältiger Abwägung aller Kriterien beispielsweise einen bereits belegten Behandlungsplatz an einen neu hinzukommenden Patienten mit besseren Chancen zu vergeben, der diesen Platz dringend zur nur kurzfristigen intensivmedizinischen Behandlung benötigt. In der Diskussion über die Ex-post-Triage sei zudem nur selten deutlich geworden, dass eine Verlegung weg von der Intensivstation selbstverständlich keineswegs einen Stopp der Behandlung bedeute.
Dr. Hans-Albert Gehle begrüßt, dass zumindest der Versuch unternommen wurde, mit einem „Nachschärfen“ des nun verabschiedeten Gesetzentwurfes mehr Klarheit zu schaffen: So werde deutlich gemacht, dass es in Abstimmung mit dem Patienten durchaus eine Änderung des Therapiezieles geben könne. „Als Klarstellung geht das jedoch noch nicht weit genug.“ Auch sei unklar, wann eigentlich eine Mangelsituation erreicht ist, in der das Gesetz zum Tragen kommt.
Auch wenn im Bundestag vor der Entscheidung über die Änderung des Infektionsschutzgesetzes immer wieder die Hoffnung geäußert wurde, das neue Gesetz müsse nie zur Anwendung kommen, sei das Verbot der Ex-post-Triage ein starkes Signal. „Ärztliche Entscheidungsfindung muss nach medizinischen Kriterien geschehen“, unterstreicht Ärztekammerpräsident Dr. Gehle. „Die aktuelle Gesetzesänderung stellt diesen Grundsatz fundamental in Frage. Schon allein deshalb muss sehr sorgfältig beobachtet werden, wie sich ein solcher Eingriff in ärztliche Entscheidungsfindung und Verantwortung in der Patientenversorgung auswirken wird.“