Das kommunale Krankenhaus betreibt mit 2.500 Mitarbeitern insgesamt 740 Betten, darunter 53 Intensivbetten für Erwachsene und Kinder. „Unser Krankenhaus ist ein Maximalversorger. Wir mussten in der Nacht die Intensivstation und am Folgetag die ganze Klinik evakuieren“, erinnerte Anja Mitrenga-Theusinger, die heute Medizinische Geschäftsführerin des Klinikums Leverkusen ist.
„Wir erlebten am 14. Juli seit dem Morgen Regenfälle, die dann immer intensiver wurden.“ Mit den enormen Wassermassen trat das ansonsten kleine Flüsschen Dühnn gegen 19 Uhr über das Ufer. Die Dühnn entspringt im Bergischen und fließt über Altenberg, Odenthal nach Schlebusch.
„In kürzester Zeit war ein Krisenstab zusammengestellt. Innerhalb weniger Stunden war das erste und zweite Untergeschoss, einschließlich der Tiefgarage geflutet. Auch betroffen die gesamte Stromversorgung! Es bestand Lebensgefahr für die Helfer. Um 23:00 Uhr wurde die Entscheidung getroffen, die Intensivstationen zu evakuieren. Die Dhünn stand da bereits mehrere Meter über Normal.
Die Evakuierung war alles andere als ein oft geübter Routineeinsatz, denn mit einer so Folgen reichen Naturkatastrophe am Standort des Klinikums konnte man nicht rechnen. Die betreffende Hochwasserrisikokarte zeichnet für das Klinikum eine „niedrige Wahrscheinlichkeit“ aus.
„Das Naturereignis hatte eine extreme Dynamik. Erschwerend war, dass die gesamte zentrale Stromversorgung ausgefallen war. Wir hatten Alarmierungsketten, aber die EDV war ausgefallen, die Telefonanlage und Aufzüge ebenfalls. Das Mobilnetz brach wegen Überlastung zusammen. Uns fehlte eine ausreichende Zahl an Funkgeräten. Keine Druckluft, kein Sauerstoff, kein Trinkwasser, kein Warmwasser – alle Versorgungsleitungen funktionierten nicht mehr. Wir hatten auch keinen Notstrom. Selbst auf den Intensivstationen gab es kein Licht mehr“, erinnert sich Anja Mitrenga-Theusinger. Über Stunden belastete der unentwegte Lärm des Alarms.
„Mittels Whatsapp-Gruppen wurden Kollegen ins Klinikum gerufen. Es wurden Kontakte zu anderen Kliniken aufgenommen und die Transporte organisiert. Der Leverkusener Rettungsdienst allein reichte nicht. In der Unglücksnacht wurden 17 Intensiv-Patienten und sieben Frühgeborene in Inkubatoren evakuiert. Die Beatmung haben wir überbrückt per Akkus und per Hand. Eine horizontale Bergung war aufgrund der Überflutung der Klinik nicht mehr möglich. Wir haben die Briefe per Hand und aus dem Kopf geschrieben.
Uns gelang es, insgesamt 468 Patienten in 18 zum Teil überregionale Kliniken zu verlegen. Unseren letzten Patienten haben wir um 21 Uhr verlegt. Zum großen Glück ist kein Patient zu Schaden gekommen“, betont Anja Mitrenga-Theusinger. Nach der vollständigen Evakuierung begann die Sanierung, dabei hatte die Wiederherstellung der technischen Funktionsfähigkeit Priorität.
Es gab in Leverkusen durch den Ausfall des Klinikums keine Geburtshilfe mehr und die Notfallversorgung war über das zweite Krankenhaus im Ort nicht zu gewährleisten. Bei der Sanierung half der Umstand, dass sich eine neue zentrale Stromversorgung bereits auf dem Gelände befand und somit in den Folgetagen kurzfristig in Betrieb gehen konnte. Am 21. Juli wurde das Klinikum bereits wieder in Betrieb genommen, wenn auch nur mit eingeschränkter Bettenzahl. Mehrere Stationen waren nicht mehr nutzbar. Der Zentralsteri ausgefallen. Die Zentralapotheke ausgelagert. Der Kreißsaal auf einer Normalstation. Die Kinderintensivstation in die Erwachsenenintensivstation integriert. Die technischen Möglichkeiten der Radiologie waren deutlich reduziert.
Zahlreiche Pflegekräfte und Ärzte wurden für sechs Tage an andere Kliniken ausgeliehen. „Bund und unser Land haben uns ihre Hilfen zugesagt. Auch die Versicherungen greifen, aber die Schäden sind noch nicht alle behoben. Die vollständige technische Wiederherstellung des Klinikum Leverkusens dauert weiter an. Uns ist durch die Flutkatastrophe klargeworden, dass bei allen Maßnahmen ein angepasster Hochwasserschutz berücksichtigt werden muss“, sagt Anja Mitrenga-Theusinger.
Die Regenflut lehrt noch mehr: „Wir müssen auch innerklinische Notfallszenarien identifizieren, die Alarmierungsketten daran ausrichten und Ausfallszenarien üben und der Umgang mit den Patientendaten muss überdacht werden. Wir brauchen IT-Sicherheit, aber in einem solchen Notfall eben auch sichere Zugriffsmöglichkeiten.“