„Vor diesem Hintergrund kann man sich leicht vorstellen, wie schnell die verbriefte Unabhängigkeit einer solchen Bundesethik-Kommission ein reines Lippenbekenntnis darstellt. Eine bei der Genehmigungs- und Zulassungsbehörde BfArM angesiedelte Ethik-Kommission kann nicht unabhängig sein“, warnt der Präsident der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz Dr. Günther Matheis.
Forschung an und mit Menschen stellt einen besonders sensiblen Grenzbereich ärztlichen Handelns dar. Freiwillige stellen ihren Körper, ihre Gesundheit zur Verfügung, damit Dritte wie zum Beispiel Pharmafirmen einen Kenntnisgewinn erzielen. Im Fall einer Zulassung eines Arzneimittels ist dies auch mit einem erheblichen materiellen Gewinn verbunden. Bei solchen Arzneimittelstudien erfolgt die Behandlung der Patienten jedoch zunächst mit einen Prüfpräparat/Prüfmedikament, dessen Sicherheit und Wirksamkeit noch nicht nachgewiesen wurde.
Entsprechende Studien bergen somit die Gefahr einer Beeinträchtigung der Gesundheit wie auch der Verletzung der Menschenwürde. Damit die Menschenwürde und der Patientenschutz gewahrt bleiben, schreiben internationale Konventionen vor, dass vor Studienbeginn das Studienprotokoll einer unabhängigen Ethik-Kommission zur Bewertung und Zustimmung vorzulegen ist. Vergleichbares steht auch in europäischen (EU VO 536/2014) und deutschen (AMG) Rechtsvorschriften.
Seit vielen Jahren haben in Deutschland die nach Landesrecht gebildeten Ethik-Kommissionen, die sowohl bei den Landesärztekammern als auch bei den Universitäten angesiedelt sind, diese Aufgabe übernommen. Sie sind interdisziplinär zusammengesetzt und institutionell vollständig unabhängig.
Alle nach Landesrecht gebildeten Ethik-Kommissionen haben sich in dem vor 41 Jahren gegründeten Arbeitskreis der Medizinischen Ethik-Kommissionen zusammengeschlossen, um eine größtmögliche Harmonisierung untereinander zu erzielen. Aus dieser Gruppe der nach Landesrecht gebildeten Ethik-Kommissionen sind 32 Kommissionen bei BfArM registriert, um Arzneimittelstudien zu beraten.
Beim Registrierungsverfahrens mussten diese Kommissionen zahlreiche gesetzlich vorgeschriebene Voraussetzungen nachweisen (Geschäftsstelle, personelle Ausstattung, Infrastruktur, Sitzungsfrequenz, Zusammensetzung, Satzung und Geschäftsordnung). Diese Ethik-Kommissionen haben sich einen unschätzbaren Wert an Erfahrung und fachlicher Kompetenz erworben, um die anspruchsvolle Güterabwägung zwischen Patientenschutz auf der einen Seite und Forschungsfreiheit auf der anderen Seite vorzunehmen.
Bedenklich an dem bisherigen Verfahren zur Errichtung einer Bundesethik-Kommission ist auch, dass die registrierten Ethik-Kommissionen weder vom federführenden Bundesministerium für Gesundheit noch von der Leitung der Bundesoberbehörde BfArM irgendeine inhaltliche Begründung für die gravierenden Veränderungen erhalten haben. Und das, obwohl BfArM und die registrierten Ethik-Kommissionen zum Erfahrungsaustausch seit mehreren Jahren in sehr engen zeitlichen Abständen Telefonkonferenzen durchführen.
Weiterhin ist festzuhalten, dass die registrierten Ethik-Kommissionen die gesetzlich vorgegebenen Fristen eingehalten haben. Insofern kann der Grund für die Einrichtung einer Bundesethik-Kommission nur darin liegen, dass die Beratung und Bewertung dieser Kommission mit einer anderen Sichtweise erfolgen soll - nämlich forschungszentriert.
Bei der oben genannten Güterabwägung muss die sorgfältige, teilweise auch zeitintensive Bewertung von möglichen Risiken und Belastungen des einzelnen Studienteilnehmers immer an erster Stelle stehen. Erst dadurch schaffen die Ethik-Kommissionen das notwendige Vertrauen in der Öffentlichkeit, um Forschung an und mit Menschen durchführen zu können.
Eine vollständige institutionelle Unabhängigkeit ist neben der fachlichen Kompetenz dabei die wesentliche Grundvoraussetzung, um eine solche ergebnisoffene und behutsame Güterabwägung vornehmen zu können. Das geplante Medizinforschungsgesetz würde dies jedoch durch die Einrichtung einer bei der Bundesoberbehörde angesiedelten Bundesethik-Kommission ändern.
Sollte das Gesetz Realität werden, wird der Patientenschutz über kurz oder lang beeinträchtigt werden. Jetzt sind alle, insbesondere die Landesregierungen gefordert, dem geplanten Medizinforschungsgesetz in diesem Punkt zu widersprechen.