• Jetzt ist es Zeit für die Systemänderung

    Ärztekammer Westfalen-Lippe plädiert für Widerspruchslösung
    11.Dezember 2024
    Die Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) will sich zukünftig dafür einsetzen, dass die Politik vermehrt sozialpolitische Aspekte der Gesundheitsversorgung beachtet und sich auch stärker um ethische Fragen der Gesundheitsversorgung kümmert. „In diesen Bereichen ist es dringend notwendig, dass die kommende Bundesregierung endlich zu Entscheidungen kommt, egal wer dann am politischen Ruder ist“, fordert ÄKWL-Präsident Dr. med. Hans-Albert Gehle. „Ein wichtiges Beispiel dafür ist die Einführung der Widerspruchslösung bei der Organspende“, betont der Kammerpräsident im Einklang mit dem Ehrenpräsidenten und Transplantationsbeauftragten der ÄKWL, Prof. Dr. med. Theodor Windhorst.
    Prof. Dr. med. Theodor Windhorst und Kammerpräsident Dr. med. Hans-Albert Gehle - hier beim Wahlkonvent - fordern gemeinsam die Einführung der Widerspruchslösung.
    Prof. Dr. med. Theodor Windhorst und Kammerpräsident Dr. med. Hans-Albert Gehle - hier beim Wahlkonvent - fordern gemeinsam die Einführung der Widerspruchslösung.

    „Die Ärztekammer Westfalen-Lippe plädiert seit langem eindringlich für die Einführung der Widerspruchslösung bei der Organspende. Weder die derzeit geltende Entscheidungslösung noch die Einrichtung eines bundesweiten Organspende-Registers haben zu einer merklichen Erhöhung der Organspendezahlen geführt. Am Ende wird uns nur eine Gesetzesänderung im Sinne der Widerspruchslösung helfen“, argumentiert Dr. Gehle.

    Prof. Windhorst setzt seine Hoffnung auf einen fraktionsübergreifenden Gruppenantrag im Deutschen Bundestag zur Änderung des Transplantationsgesetzes und Einführung der Widerspruchslösung, der von rund 220 Abgeordneten unterzeichnet und letzte Woche im Deutschen Bundestag in erster Lesung beraten wurde.

    Der neue Deutsche Bundestag müsse sich Anfang nächsten Jahres schnell nach seiner Konstituierung mit dem Thema Organspende beschäftigen, sagt Prof. Windhorst. „Wir brauchen in Deutschland die Widerspruchslösung. Jetzt ist es Zeit für die Systemänderung, um das Leiden der kranken Menschen auf der Warteliste für ein neues lebensrettendes Organ nicht noch weiter zu vergrößern. Andere Länder wie Spanien, die Niederlande, Frankreich oder Italien haben es uns vorgemacht, dass die Widerspruchslösung der richtige Weg ist.“

    Die ÄKWL verweist darauf, dass in Deutschland derzeit circa 8.500 Menschen auf der Warteliste für ein Spenderorgan stehen. Die Mehrheit von ihnen wartet auf eine Niere, wobei die durchschnittliche Wartezeit für dieses Organ bei rund acht Jahren liegt. Im Jahr 2023 gab es bundesweit 965 postmortale Organspenden mit insgesamt rund 2.877 gespendeten Organen. Trotz dieser Spenden sterben täglich etwa drei Menschen, während sie auf ein Spenderorgan warten.

    Außerdem fordert ÄKWL-Präsident Gehle, wieder eine gesamtgesellschaftliche Debatte zur Sterbehilfe und zum assistierten Suizid aufzunehmen. „Auch hier ist eine gesetzliche Neuregelung dringend notwendig. Deshalb brauchen wir eine breite gesellschaftlichen Diskussion, in die alle relevanten Gruppen einbezogen sind und danach eine politische Entscheidung.“

     Für die Ärzteschaft müsse es dann einen klaren Handlungsrahmen geben. „Ärzte sind keine Sterbehelfer, sondern Sterbebegleiter für ihre schwerstkranken Patienten. Die Begleitung sterbenskranker Menschen ist eine urärztliche Aufgabe. Die Umsetzung des individuellen Rechts auf Selbsttötung ist keine Maxime für das ärztliche Handeln und darf es auch nicht werden.“ Der Gesetzgeber dürfe Ärztinnen und Ärzte nie dazu verpflichten, Menschen ihren Todeswunsch erfüllen zu müssen.

    „Unser Versorgungsversprechen muss umfassend sein und auch diejenigen Menschen einbeziehen, die ihre Schwierigkeiten haben, an dieser Versorgung teilzuhaben. Sei es, weil es die benötigten Angebote in ihrer Umgebung schlichtweg nicht mehr gibt. Sei es, weil sie, warum auch immer, gehindert sind, ihren Anspruch geltend zu machen“, sagt Gehle abschließend. Auch auf diese Menschen müsse nicht nur die Ärzteschaft, sondern besonders auch die Politik in den nächsten Jahren verstärkt ihre Aufmerksamkeit richten.