Immer noch warteten bundesweit über 8000 schwerstkranken Menschen auf eine lebensrettende Organtransplantation, in Nordrhein-Westfalen seien es etwa 1.800. Auch das jüngst eingerichtete Organspende-Register habe noch keine nennenswerten Verbesserungen gebracht. „Jetzt muss endlich der Weg für die Widerspruchslösung freigemacht werden“, fordert Dr. Hans-Albert Gehle.
Für die Widerspruchslösung plädiert auch der Transplantationsbeauftragte der Ärztekammer, Ehrenpräsident Prof. Dr. med. Theodor Windhorst. Die Widerspruchslösung verlange von dem einzelnen Menschen, Stellung zu beziehen und sei damit die gerechteste Lösung mit der Einbeziehung des neuen Organspenderegisters. Damit positioniere sich eine Person zu Lebzeiten beim Thema Organspende und nehme so auch den Druck von den Angehörigen, nach seinem Tod über eine Spende entscheiden zu müssen.
„Bis zu einer endgültigen Einführung der Widerspruchslösung wäre es wünschenswert, wenn alle Menschen dem Beispiel unseres Landesgesundheitsministers folgen, der seit 30 Jahren einen Organspendeausweis besitzt und sich somit pro Organspende positioniert“, betont Prof. Dr. med. Theo Windhorst.
Bereits im März hatte die Kammerversammlung der ÄKWL für die Einführung der Widerspruchslösung votiert. „Ich bin dafür, jeden sinnvollen Weg zur Steigerung der Spendenzahlen zu gehen“, erklärt Dr. Hans-Albert Gehle, auch mit Blick auf das neue Online-Register. Dieses allein wird uns aber nicht weiterhelfen. Wir brauchen in Deutschland deshalb die Widerspruchslösung, es gibt keine Alternative dazu.“
Die Kammerposition zur Einführung der Widerspruchslösung wird auch von Transplantations-Experten aus dem Kammergebiet mitgetragen.
„Dass Deutschland seit Jahrzehnten Organspenden aus europäischen Nachbarländern importiert, in denen eine Widerspruchslösung gilt, selbst aber eine solche Lösung nicht akzeptiert, ist aus meiner Sicht ein Skandal, der Politik und Gesellschaft gleichermaßen trifft. Zugleich ist ein solches, moralisch höchst fragwürdiges Verhalten ein Schlag ins Gesicht der vielen Betroffenen, die in unseren Transplantationszentren darauf hoffen müssen, eine lange leidvolle Wartezeit und damit verbundene Komplikationen zu überleben, bis rechtzeitig ein Organ für sie gefunden werden kann“, sagt Prof. Dr. med. Jan Gummert, Direktor der Klinik für Thorax- und Kardiovaskularchirurgie, Herz- und Diabeteszentrum NRW, Bad Oeynhausen.
„Aufklärungskampagnen, die Einführung eines Spenderegisters und unsere gesetzlich verankerte Zustimmungslösung konnten den dramatisch anhaltenden Engpass an Spenderorganen nicht ändern. Die Zahlen zeigen: In mehr als 20 europäischen Ländern, in denen die Widerspruchslösung gilt, stehen deutlich mehr Spenderorgane als in Deutschland zur Verfügung. In Österreich und Kroatien sind es mehr als doppelt so viele, In Spanien mehr als viermal so viele. Dass es in unserem Land nicht gelingt, unsere Patientinnen und Patienten angemessen zu versorgen, ist kaum zu ertragen. Ich sehe uns alle, die politischen Entscheidungsträger voran, aufgefordert, endlich für einen Kulturwandel in der Organspende einzutreten, die Widerspruchslösung in das Transplantationsgesetz aufzunehmen und nicht länger tatenlos zuzusehen, wie Betroffene auf der Warteliste sterben.“
Univ.-Prof. Dr. med. Hartmut H.-J. Schmidt, Direktor der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Transplantationsmedizin am Universitätsklinikum Essen ergänzt: „Organversagen kann jeden treffen. Meist trifft es den Patienten unverschuldet. Die Transplantation als Therapie des Organversagens ist aber nur möglich, wenn Spenderorgane verfügbar sind. Deshalb sollten sich alle Bürger für die Organspende für ihren eigenen Schutz einsetzen.“
Prof. Dr. Richard Viebahn, Direktor der Chirurgischen Klinik, Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum: „In Deutschland sind Patienten auf der Warteliste zur Organtransplantation durch die derzeit gültige Aufklärungslösung bei der Organspende strukturell benachteiligt: Während in den umliegenden Ländern Europas die Wartezeiten auf eine Organtransplantation deutlich kürzer sind als in Deutschland, muss hier mit unakzeptabel langen Zeiten bis zur Organtransplantation gerechnet werden. Die Folge ist, dass Patienten auf der Warteliste sterben oder in deutlich schlechterem Zustand zur Organtransplantation kommen und dadurch auch mehr postoperative Komplikationen und einen schlechteren Langzeitverlauf nach Transplantation erleiden. Die deutlich kürzeren Wartezeiten in nahezu allen Nachbarländern werden durch die dort praktizierte Form der Widerspruchslösung erreicht. Im Rahmen der Schaffung gleicher Lebensbedingungen und -Chancen in ganz Europa sollte dieses Verfahren auch in Deutschland eingeführt werden, zumal die Evaluierung der im Januar 2020 beschlossenen gesetzlichen Regelung zu keiner Besserung der Bedingungen geführt hat.“