Realität ist, dass wir in manchen Kliniken oder Arztpraxen gerade mal die digitale Patientenakte nutzen können. Bei KI geht es jedoch um wesentlich mehr. Im besten Fall ermöglicht uns KI durch digitale Vernetzung von Patientendaten individuelle optimierte Behandlungsprozesse. Bei bildgebenden Verfahren stehen uns intelligente Diagnose-Systeme zur Verfügung und computergeführte Roboterassistenten sind im OP Alltag.
Das Bundesministerium für Gesundheit fördert bereits Projekte, in denen durch Künstliche Intelligenz die Behandlung von Schwerverletzten in Kliniken verbessert werden soll. Die verbale Alarmierungskette vom Unfallort zum Notarzt, zur Leitstelle und zum richtigen Krankenhaus kann KI automatisiert in wichtige Datensätze umwandeln. Dabei wird es sicherlich nicht bleiben.
In Zukunft soll digitale Medizin Patienten bei der Nachsorge und Therapie zu Hause begleiten können. KI bietet immer mehr Überwachungsfunktionen an – etwa bei Stürzen zu Hause. Realität ist seit Jahren, dass Gesundheits-Apps auf Smartphones den Puls, Blutdruck oder die Sauerstoffsättigung messen, nebenbei die täglich zurückgelegten Schritte zählt oder ggf. beim Nikotinentzug hilft. Das ist für viele Menschen bereits gewohnter Alltag. Patienten werden so mitunter befähigt, ihre eigenen Gesundheitsdaten selber zu überwachen und ggf. ihren Lebensstil an therapeutische Vorgaben anpassen. Aber, das KI-Angebot geht noch viel weiter. Es greift zusehends in unsere ärztliche Tätigkeit ein.
Im Bereich der Psychotherapie bieten Apps bei schweren psychischen Erkrankungen – zur Überbrückung bis zum Therapiebeginn – Online-Kurse gegen Depressionen, Angst, Essstörungen oder chronische Schmerzen. Diese sind meist noch teurer als die spätere psychiatrische Behandlung. Dass Kassen diese Apps finanzieren, sollte uns ein Warnsignal sein. Werden Therapiesitzungen noch bezahlt, wenn KI es günstiger macht?
Wie weit wird der Einsatz von KI in den Kliniken gehen? Wird KI uns entlasten oder am Ende eher substituieren? Ich habe keine Zweifel, wer in Kliniken kaufmännisch denkt, wird kalkulieren, was wohl günstiger ist, der Einsatz von KI oder ein angestellter Facharzt weniger? In manchen Foren wird bereits diskutiert, ob KI künftig in den Regionen Patienten medizinisch versorgen kann, wo es wegen des Fachkräftemangels keinen Zugang zur Fachmedizin mehr gibt.
Werden Hausärzte bald automatisierte Meldungen von überwachten Patienten erhalten und sie in die Praxis bitten, wenn Grenzwerte unter- oder überschritten wurden? Wird KI nur Patienten überwachen? Werden wir Ärztinnen und Ärzte künftig auch per KI überprüft, ob wir leitliniengerecht behandeln? Wird KI bald sogar entscheiden, ab wann eine medizinische Behandlung bei schwersten Krankheiten noch Sinn macht?
Ich habe große Zweifel, ob uns Ärztinnen und Ärzte im Endeffekt der Einsatz von mehr KI in der Medizin mehr Zeit und Raum für die menschliche Betreuung unserer Patienten verschafft. Das ist wohl eher eine Idealvorstellung. Künstliche Intelligenz darf auf keinen Fall das Ende der Menschlichkeit zur Folge haben. Es ist unerlässlich, dass wir den weiteren Einsatz der KI kritisch beobachten. Ich bin mir sicher, dass unsere Patienten auch zukünftig das persönliche Gespräch mit uns Ärztinnen und Ärzten jeder Künstlichen Intelligenz vorziehen werden.