Wir wissen, dass viele Absolventen vorzugsweise in der Nähe ihres Studienortes ärztlich tätig werden. Ohne diesen „Klebeffekt“ fällt es westfälischen Kliniken schwerer, ärztlichen Nachwuchs zu finden, beklagt seit Jahren der westfälisch-lippische Kammerpräsident Theodor Windhorst. Wir hoffen, dass die neue Fakultät Stellenbesetzungen erleichtern wird. Dies gelingt aber nur, wenn sie auch dauerhaft auskömmlich finanziert und nicht nur eine Billigfakultät wird.
Auch die jüngst begonnene Ausweitung des Bochumer Modells mit 60 Studienplätzen auf Kliniken in Minden und Herford wird naturgemäß erst in einigen Jahren Früchte tragen. Klar ist dabei schon heute, deshalb werden in NRW noch lange nicht ausreichend Ärztinnen und Ärzte ausgebildet. Nur zehn Prozent mehr Studienplätze sind ein wirksames Rezept gegen den Ärztemangel.
Mit ihrer Ankündigung, in Ostwestfalen eine neue Fakultät zu errichten, geht die künftige Landesregierung zweifelsfrei einen erfreulichen, wenn auch zu zaghaften Schritt. Neue Fakultätsstandorte und zehn Prozent zusätzliche Studienplätze für Medizin fordern wir mit guten Gründen seit vielen Jahren. Dies sei nicht zu finanzieren und nicht nötig, weil es keinen Ärztemangel gebe, hieß es bisher aus den Regierungskreisen. Diese Zeit scheint hoffentlich passé.
Ebenfalls erfreulich ist, dass die Universität Siegen zurzeit Initiative ergreift, um in Kooperation mit der Uni Bonn ab 2018 in Siegen 25 neue Medizin-Studienplätze zu schaffen. Auch dieser Regionalplan wird aber den sich in den nächsten Jahren verstärkenden Ärztemangel in NRW nicht annähernd beseitigen können.
Blicken wir kurz ein paar Jahrzehnte zurück, denn wir haben uns in der Vergangenheit zeitweise wesentlich mehr Studienplätze leisten können. So gab es in den 80er Jahren an den Fakultäten in NRW insgesamt 3.400 Studienplätze. In der Ära von Ministerpräsident Johannes Rau wurde die Zahl 1990 drastisch gesenkt – über zwei Jahrzehnte pendelten die Studienplatzzahlen in NRW dann um nur 1.950. Erst mit dem Hochschulpakt II und III wurde die Finanzierung ab 2011 erhöht, um 200 neue Studienplätze zu schaffen.
Fazit: Selbst, wenn wir in den nächsten Jahren mit Bielefeld und Siegen die Studienplatzzahl erfreulicherweise weiter leicht erhöhen, reicht das noch lange nicht aus, um den tatsächlichen Bedarf an Ärztinnen und Ärzte hierzulande zu decken. Ohne einen Ausbau der Medizinstudienplätze in NRW um mindestens zehn Prozent ist die medizinische Versorgung langfristig nicht sichergestellt. 50 Millionen Euro für Bielefeld – das ist leider nur der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein. Es darf nicht nur bei einer Starthilfe bleiben.
Mit Spannung erwarten wir von der künftigen Landesregierung noch mehr, so etwa die Einhaltung ihrer Wahlkampfversprechungen. Unsere 352 Kliniken benötigen dringend ein Milliardenprogramm zur Finanzierung ihrer Investitionen. Hierzu haben nach der Wahl bisher weder CDU noch FDP Verlässliches beschlossen.
Unmittelbar vor Redaktionsschluss sickerte aber durch, dass die neue Regierung Studiengebühren für ausländische Studenten und die „Landarztquote“ einführen will. Beides lehnen wir ab. Wir wollen keinen „sozialen“ Numerus Clausus, sondern die Auswahl der geeignetsten Bewerber. Durch Studiengebühren sollen jährlich immerhin 100 Millionen Euro in den NRW-Wissenschaftssektor gespült werden. Das ist viel Geld, wirkt aber grotesk, weil es auch zur Finanzierung der neuen Fakultät in Bielefeld dienen könnte. Rein rechnerisch käme damit deren Starthilfe aus dem Ausland.
Untauglich halten wir die im Masterplan vorgesehene Einführung der zwangsweisen Verpflichtung zur Landarzttätigkeit im Tausch gegen einen Studienplatz. Wer kann mit 18 Jahren schon sagen, in welcher Fachrichtung er später arbeiten möchte. Derart sanktionsbewehrter Zwang widerspricht zudem der freien Studien- und Berufswahl und sie wird den Arztberuf auf dem Land nicht attraktiver gestalten. Studiengebühren und Landarztquote – diesen Weg sollte die neue Landesregierung an keiner Fakultät in NRW gehen.