Fakt ist, der seit Jahrzehnten festzustellende Ärztemangel verschärft sich weiter. Der hohe Altersdurchschnitt der Ärzteschaft wird die Lücken noch weiter vergrößern. An der prekären Situation wird sich nichts verändern, solange es viel zu geringe Ausbildungskapazitäten für Humanmedizin gibt. Und gäbe es heute tatsächlich schon 5.000 Studienplätze mehr, wäre mit den dringend benötigten neuen Fachärztinnen und Ärzten im Gesundheitswesen frühestens in über zehn Jahren zu rechnen. Bund und Länder wagen aber noch nicht mal diesen überfälligen Schritt der Studienplatzerhöhung. Wo läge eine Lösung?
Zu Beginn des neuen Jahres hat der Virchowbund den Vorschlag gemacht, dass Praxen nur noch vier Tage in der Woche geöffnet sein sollten, damit die Ärztinnen und Ärzte künftig am gänzlich praxisfreien Mittwoch ihre bürokratischen Arbeiten erledigen und ihre Fortbildungen absolvieren könnten.
Das zu knappe Budget, die Streichung der Neupatientenreglung und die zu geringe jährliche Honorar-Steigerung bedeuteten, dass ein Teil der ärztlichen Arbeit im ambulanten Sektor nicht bezahlt werde, beklagt der Virchowbund. Auch der hohe Kostendruck durch die Inflation und Energiepreise sei nicht mehr tragbar. Das ist eine nachvollziehbare Kritik und als Weckruf an die Politik auch absolut verständlich. Aber, ist es nicht nur ein plakativer Aufschrei, verbunden mit einer Ankündigung, die in der Sache leider nicht weiterhilft?
„Fest steht. Wir werden keine unbezahlten ärztlichen Leistungen mehr erbringen.“ Diese markige Ankündigung der Virchowbundspitze geht einen Schritt zu weit. Ob Ärztin/ Arzt in der Praxis, im MVZ oder in einer Klinik, wir alle geben doch unseren Patienten ein gemeinsames Versorgungsversprechen. Das ist der Kern unseres ärztlichen Berufs. Darf ein Teil der Ärzteschaft – ob in Praxen oder in Kliniken - diesen Konsens aufkündigen?
Unserem besonderen Ethos verdanken wir unsere hohe gesellschaftliche Reputation. Dass auf diesem soliden Fundament stehende Vertrauen unserer Patienten in unsere ärztliche Bereitschaft, ihnen jederzeit zu helfen, dürfen wir nicht gefährden. Ist die Situation für uns als Ärzteschaft insgesamt noch so schwer, kann und darf nicht ein Teil der Ärzteschaft unsere Patienten einfach im Stich lassen.
Ist denn der „Dienst nach Vorschrift“ wirklich eine Lösung? Eine solche ambulante Versorgungseinschränkung hätte mit Sicherheit weitreichende Folgen, nicht allein nur den Vertrauensverlust unserer Patienten. Der ärztliche Bereitschaftsdienst solle es am praxisfreien Mittwoch ausbaden, lautet der Vorschlag. Noch mehr überfüllte Praxen am Donnerstag wären vorprogrammiert. Tatsächlich würden aber viele Patienten den Weg in die nächste - ohnehin schon überlastete - Klinikambulanz gehen. Eine Verlagerung von ambulanter ärztlicher Arbeit in Kliniken ist inakzeptabel.
Schwerwiegender ist aber, wenn sich Ärztinnen und Ärzte dem überlasteten System entziehen, bestünde die große Gefahr, dass Politik und Krankenkassen ihre Bemühungen zur Kostensenkung steigern, indem sie ärztliche Arbeit durch andere nichtärztliche Berufe ersetzen. Das wäre fatal: Wir wollen keine Substitution, sondern die Delegation.
Mit sehr guten Gründen: Wir wollen die bisher hohe Qualität der gesundheitlichen Versorgung hierzulande nicht gefährden. Ziehen wir deshalb besser an einem Strang. Kämpfen wir also bitte gemeinsam, um unsere ärztliche Situation in Praxen und Kliniken wieder zu verbessern, auf gar keinen Fall aber auf Kosten unserer Patienten.