In allen Arbeitsbereichen und Berufsgruppen an Kliniken kommt es seit Jahren zur Überlastung – auch bei uns Ärzten. Zehntausende Pflegekräfte, aber auch viele Ärztinnen und Ärzte haben den Kliniken bereits den Rücken gekehrt. Corona hat das nicht nur verstärkt, sondern öffentlich breiter sichtbar gemacht.
Aktuell kämpfen Fach- und Pflegekräfte im Grunde um dieselben Ziele, die wir seit Jahren auch für uns Ärztinnen und Ärzte an den Kliniken zum Schwerpunkt der Tarifrunden gemacht haben. Gerade in der Tarifrunde 2019 haben wir einiges erreicht, um unsere Gesamtarbeitslast abzusenken. Neue Höchstgrenzen und Regeln vereinbart. Arbeitszeiterfassung ohne Kürzungen tariflich vereinbart. Leider aber verweigern die Arbeitgeber oftmals die Umsetzung vor Ort. Die Arbeitsverdichtung nimmt weiter zu – Tag für Tag. Verdi fordert nun für diese Fälle scharfe Konsequenzen. Wohl wahr, das fordern wir auch seit langem.
100 Tage hatten Krankenhäuser und die politisch verantwortlichen Finanzminister der Länder vor dem Streik Zeit, die Situation in den Unikliniken zu verbessern. Getan haben sie nichts. Im Gegenteil: Anfang Mai lehnte die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) gleich drei Anträge des Landes NRW mit je 14:1 Stimmen, den Unikliniken in NRW direkte Tarifverhandlungen zu ermöglichen. Kommt uns das nicht bekannt vor? 2005/6 haben wir monatelang an den Unikliniken streiken müssen, um unseren ersten fast bundesweit gültigen Tarifvertrag für Ärzte (TdL) zu erhalten.
Nun aber wird es interessant: Unmittelbar vor der Landtagswahl in NRW platzten Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann und der Wissenschaftsministerin Isabel Pfeifer-Poensgen die Krägen: Die Landesregierung will einen Weg zum Austritt der sechs Unikliniken in NRW aus der TdL ebnen. Wenn die Unikliniken ausgetreten sind, sollen sie mit ver.di einen Anerkennungstarifvertrag abschließen. Ein Paukenschlag aus Düsseldorf, der die TdL in schlechtem Licht stehen lässt. Erfreulich, dass NRW damit – im Gegensatz zu den anderen Bundesländern – Verantwortung für die Schaffung besserer Arbeitsbedingungen übernehmen will.
Aber auch für Ärzte? Das hängt ab von der Änderung des Hochschulgesetzes, dessen Formulierung wir nicht kennen. Raus aus der TdL und rein in bessere Arbeitsbedingungen. An der Uniklinik Mainz gelingt uns das seit Jahren. Das würden wir natürlich auch gerne in NRW tun. Entfristung von Arbeitsverträgen, bessere Schicht- und Rufdienstregelungen – mir fällt da einiges ein.
Aber führt Personalbemessung direkt zur besseren Patientenversorgung oder eher zu dauerhaft eingeschränkter Versorgungskapazität? Kommt es zu einer Verschiebung von Pflegepersonal zu Gunsten der Unikliniken? Was aber bedeutet das für alle anderen Krankenhäuser? Ist das wirklich der richtige Weg?
Meines Erachtens müssen wir das Übel an der Wurzel anfassen. Für gute und auch für uns gesunde Versorgung brauchen wir endlich eine ausreichende Investitionsfinanzierung der Länder, unterstützt durch ein Investitionsprogramm des Bundes. Das angeschlagene DRG-System muss ersetzt werden, alle Leistungen und die Daseinsfürsorge auskömmlich finanziert sein. Mehr Ausbildungskapazitäten in der Pflege, mehr Studienplätze für Medizin.
Dass alles weiß auch die Politik seit langem. Nur die x-ten Versprechungen von einer neuen Landes- und gar nicht mehr so neuen Bundesregierung helfen nicht. Es muss gehandelt werden und zwar schnell. Nur so können wir Arbeitsbedingungen ändern und das notwendige Personal auch leistungsgerecht bezahlen, und die Patientenversorgung wirklich sicherstellen. Nur so holen wir Ärzte und Pflegekräfte zurück in die Kliniken, auch aus der Teilzeit.