• „Steuerung“ von Notfällen kann für Patienten und Ärzte gefährlich werden

    Ärztekammer Westfalen-Lippe
    01.März 2017
    Münster
    Die Ärztekammer Westfalen-Lippe kritisiert die neuen Regelungen zur Versorgung von Patienten in den Notaufnahmen der Krankenhäuser. „Ab April soll mit einer Abklärungsdiagnostik per ,Kurz-Check‘ entschieden werden, ob ein Patient in der Notaufnahme behandelt wird oder an den ärztlichen Notdienst der niedergelassenen Ärzte verwiesen wird“, erläutert Ärztekammer-Präsident Dr. Theodor Windhorst. „Dieses Vorgehen kann für Patienten wie für Ärzte in den Notaufnahmen der Kliniken gleichermaßen gefährlich werden. Assistenzärztinnen und -ärzte, die in den Krankenhaus-Notaufnahmen Dienst tun, arbeiten zwar nach Facharzt-Standard, haben aber den Status eines Facharztes noch nicht. Sie können die ,Abschiebe-Abklärung‘ deshalb nicht verantworten“, sieht Windhorst auch rechtliche Probleme auf Ärztinnen und Ärzte zukommen. Es geht auch nicht an, Menschen mit einem akuten Gesundheitsproblem von einer Stelle zur nächsten zu schicken. Wenn sich ein Patient an einen Arzt im Krankenhaus wendet, muss er behandelt werden, das gebieten Recht und auch Ethik“, wendet sich der Kammerpräsident dagegen, Patienten demnächst mit Hilfe einer sogenannten „Abklärungspauschale“ durch Ärzte verschiedenen Versorgungsangeboten zuordnen zu lassen.

    Dieser Weg widerspreche einer qualitätvollen Patientenversorgung. Die Neuregelungen wurden im ergänzten erweiterten Bewertungsausschuss auf Initiative der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenversicherung gegen die Stimmen der Deutschen Krankenhausgesellschaft beschlossen.

    Das Krankenhaus soll lediglich 4,74 Euro (nachts 8,42 Euro) erhalten, wenn nach Abklärung eines Notfalls entschieden wird, dass ein Patient z. B. auch von einem niedergelassenen Arzt behandelt werden könnte und dorthin verwiesen wird. „Die Abklärungspauschale ist Unsinn. Es ist unverantwortlich, wenn für ein solches Linsengericht die Gefahr einer Schnellschuss-Diagnostik von Notfällen in Kauf genommen wird“, kritisiert Dr. Windhorst.

    Bislang ist die Krankenhaus-Notaufnahme prinzipiell für schwer erkrankte Patienten als Vorstufe für eine wahrscheinliche stationäre Aufnahme in die Klinik anzusehen. Erst zu einem späteren Zeitpunkt sei die Entscheidung über den Verbleib im Krankenhaus oder das Verweisen auf andere Versorgungsangebote die Sache eines Facharztes, erläutert der Ärztekammer-Präsident weiter.

    Für die ärztliche Abklärung der Beschwerden eines Patienten in Not, befürchtet der Kammerpräsident, werde zudem nur kurze Zeit zur Verfügung stehen. Es gelte deshalb, Patienten wie auch Ärzte gleichermaßen vor den Folgen zu schützen, wenn sich ein Krankheitsfall auf den zweiten Blick anders entwickle als zunächst eingeschätzt.

    Es sei absehbar, dass Zeitdruck sorgfältiges Arbeiten und Entscheidungen zusätzlich erschwere. Auch die absehbaren Diskussionen, wer nun letztlich für die Versorgung eines Notfalls zuständig sei, dienten weder Patienten noch Ärzten. Die geplanten neuen Regelungen änderten im Übrigen nichts am Problem der Unterfinanzierung der Notfallversorgung in Krankenhäusern.

    „Kliniken müssen personell und räumlich auf die Realität der Notfallversorgung eingerichtet sein und entsprechend fair finanziert werden", fordert Dr. Windhorst. „Das sollte im Sinne der Patienten, aber auch im Sinne der Ärztinnen und Ärzten, die unter enormer Arbeitsbelastung in den Notaufnahmen Dienst tun, eine Selbstverständlichkeit sein.“