• "Streikt Ihr noch oder bewerbt Ihr Euch schon?"

    Über 2.500 Ärztinnen und Ärzte der Unikliniken in NRW beteiligten sich am 2. Warnstreik
    12.März 2024
    Eine wirklich großartige Beteiligung der Ärztinnen und Ärzte an den sechs Unikliniken an dem Warnstreik in NRW: Trotz Dauerregens kamen über 2.000 Ärztinnen und Ärzte aus den sechs Unikliniken Aachen, Bonn, Düsseldorf, Köln, Essen und Münster vorige Woche zur landesweit zentralen Kundgebung in die Landeshauptstadt. Nach einem halbstündigen Protestmarsch durch die Innenstadt übergaben in einer kurzen Visite Dr. med. Hans-Albert Gehle und Dr. med. Sven Dreyer im Finanzministerium NRW einem Vertreter des Finanzministers Marcus Optendrenk unser Forderungsschreiben in der aktuellen Tarifrunde. Vor dem Ministerium fand dann eine gut 90-minütige Kundgebung im Hofgarten statt. Über 500 weitere Ärztinnen und Ärzte legten an den beteiligten Unikliniken ihre Arbeit nieder und protestierten im Warnstreik gegen die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL), die in bisher vier Verhandlungsrunden noch nicht mal ein Angebot vorgelegt hat.
    Über 2.000 Ärztinnen und Ärzte kamen allein zur Kundgebung nach Düsseldorf
    Über 2.000 Ärztinnen und Ärzte kamen allein zur Kundgebung nach Düsseldorf

    „Es ist erschreckend“, sagte Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein, an den Unikliniken verteilen konkurrierende Kliniken, die besser Gehälter und Arbeitsbedingungen anbieten, ihre Stellenanzeigen unter dem Slogan „Streikst Du noch oder bewirbst Du Dich schon?“

    Unikliniken sollten Interesse an fairem Wettbewerb haben

    Es sollte dich selbstverständlich sein, dass auch die Unikliniken ein Interesse daran haben, sagte Rudolf Henke weiter, einen Wettbewerb um die besten Arbeitskräfte über die Löhne und Arbeitsbedingungen zu führen. „Versagt gerade das Land bei der Ausbildung der Medizinstudenten? Das Land müsste doch dafür brennen, dass wir in NRW Spitzenforschung an den Unikliniken leisten können. Das geht aber nicht zum Spartarif. Wir brauchen gutes Geld für gute Leistungen.“, mahnet Rudolf Henke.

     

    „Wir sind empört, dass die Vertreter der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) in bisher vier Verhandlungsrunden noch nicht einmal ein konkretes Angebot auf den Tisch gelegt haben“, kritisierte Dr. med. Hans-Albert Gehle (Vorsitzender des MB NRW/RLP). „Offensichtlich weigern sich die Arbeitgeber, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Gehälter der Ärztinnen und Ärzte an den Universitätskliniken mittlerweile deutlich unter anderen Tarifverträgen für Ärztinnen und Ärzte liegen und auch hinsichtlich der übrigen Arbeitsbedingungen abgekoppelt wurden.“

    Forschung und Lehre werden selten honoriert

    „An unseren Universitätskliniken werden die schwierigsten und komplexesten Fälle medizinisch behandelt. Hier werden hochspezialisierte Ärztinnen und Ärzte benötigt, die neben der Behandlung ihrer Patienten auch noch die Forschung und Lehre bewerkstelligen müssen. Diese engagierte zusätzliche Arbeit wird in aller Regeln aber nicht vergütet. Wer doppelten Einsatz zeigt, verdient adäquate Gehälter! Die Ärztinnen und Ärzte an den Unikliniken verdienen unseren besten Tarifvertrag“, bekräftige Dr. Gehle die Forderung des Marburger Bundes nach einer Gehaltserhöhung von 12,5 Prozent und höheren Zuschlägen für die Arbeit zu familienfeindlichen Arbeitszeiten.

    „Exzellente Unikliniken stehen im Wettbewerb um hochspezialisierte Arbeitskräfte mit anderen Krankenhäusern, für die andere Tarifverträge des Marburger Bundes für Ärztinnen und Ärzte gelten. An kommunalen Krankenhäusern liegen die Ärztegehälter deutlich höher. Selbst bei der großen Mehrheit der kirchlichen Klinikträger in NRW verdienen Ärztinnen und Ärzte mehr“, so Gehle .

    Spitzenmediziner finden bessere Konditionen im Ausland

    „Da darf sich doch niemand wundern, wenn Unikliniken freie Arztstellen kaum noch besetzen können oder beschäftigte Ärztinnen und Ärzte den Unikliniken den Rücken kehren und in das Ausland abwandern. Die Unikliniken haben im Wettbewerb der Gehälter und Arbeitsbedingungen für Ärztinnen und Ärzte ihren einstigen Spitzenplatz verloren. Ohne deutliche Anpassung der Ärztegehälter an etablierte Tarifstandards für Ärztinnen und Ärzte werden die Unikliniken im internationalen Wettbewerb schlicht abgehängt. Deutschland war in der internationalen Spitzenmedizin bisher ausgezeichnet vertreten“, erinnern auch Dr. med. Sven Dreyer, , 1. Stellvertretender Vorsitzender des Marburger Bundes NRW/RLP.

    „Die Arbeitgeber wollen das offenbar in der aktuellen Tarifrunde nicht anerkennen. Durch die Verweigerungshaltung der TdL, den Ärztinnen und Ärzten endlich wieder adäquate und konkurrenzfähige Gehälter zu zahlen, wird der medizinische Forschungsstandort Deutschland den Anschluss an die Weltspitze verlieren. Wir protestieren deshalb nicht nur für uns selber, sondern auch für unsere Patientinnen und Patienten.“

    „Wir waren heute beim Finanzminister NRW“, sagte Dr. med. Sven Dreyer. „Der Vertreter des Finanzministeriums im Aufsichtsrat hat es in der Hand, die Kuh schnell vom Eis zu kriegen. Aber, es greift ein neuer Politikstil um. Das freundlich zugewandte Nichtstun! Wir erfahren in allen Tarifrunden Verständnis für unsere Position. Gleichzeitig bekommen wir aber kein akzeptables Angebot auf den Tisch, auf dessen Basis wir ernsthaft verhandeln könnten. In den Wirtschaftsplänen der Universitätskliniken sind die Tarifsteigerungen für Ärztinnen und Ärzte doch ohnehin schon längst eingepreist.“ Hinter vorgehaltener Hand sei nur zu hören: „Den Verdi-Abschluss könnt ihr sofort haben.“

    „Ein Krankenhaus hat aber im Unterschied zu Pflegeheimen Spezialisten an Bord, Spezialisten, die keinen nine to five-Job kennen. Sondern ihrem Gelöbnis folgen, die Versorgung ihrer Patienten ins Zentrum ihrer Berufung zu stellen. Diese Spezialisten vertritt nicht Verdi. Diese Spezialisten vertritt einzig und alleine der Marburger Bund. Wir haben unseren arztspezifischen Tarifvertrag nicht mühevoll erkämpft, damit wir uns heute anhören müssen, was Verdi verhandelt hat. Tarifpartner, die direkt und ohne zwischengeschaltete Ministerien mit uns verhandeln, machen schnell kompromissfähige Angebote. Alle haben bessere Gehälter und Arbeitsbedingungen als wir an den Unikliniken. Vielleicht müssen wir verstärkt über einen Weg nachdenken, das wir als Marburger Bund NRW/RLP die Tarifabschlüsse direkt mit den Unikliniken verhandeln“, schloss Sven Dreyer.

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