Die erste Reaktion auf die Absenkung der Sonderförderung in 2018 kam naturgemäß prompt: Die Opposition im Landtag spricht von einem gebrochenen Wahlversprechen. Die KGNW bemerkt treffend bei der Bekanntgabe des Haushaltsentwurfs 2018: „Das sind wieder zwei Schritte zurück und so kommen wir in NRW nicht wirklich voran“.
Nach der zwischenzeitlichen Vorlage des Haushaltsentwurfs bleibt jedoch ein bisher noch wenig erwähnter Hoffnungsschimmer: Offenbar sollen ab 2019 bis zum Jahr 2021 insgesamt etwa 600 Millionen Euro zusätzlich aus dem Landeshaushalt in die Kliniken fließen. Diese Fördergelder sollen aber nicht mehr als pauschale Förderung ausgezahlt werden, sondern nur als Einzelförderung an Krankenhäuser gehen, sofern sie sich einem Strukturwandel unterwerfen. Die Kriterien hierfür sollen im nächsten Jahr entwickelt werden. Das Ziel, weniger Kliniken mit Grundversorgung. Mehr Krankenhausverbünde in den Regionen und mehr Spezialisierungen in vernetzten Kliniken.
Gehen wir einen Schritt zurück: Viel Lob hatte die neue nordrhein-westfälische Landesregierung zuvor dafür geerntet, dass sie im laufenden Jahr die Investitionskostenförderung für Krankenhäuser um 250 Millionen Euro erhöht hatte. „Gut angelegtes Geld, aber nur ein erster Schritt nur“, hatte auch Dr. med. Hans-Albert Gehle, erster Vorsitzender des Marburger Bundes NRW/RLP, seinerzeit bereits angemahnt. „Damit lindert die Landesregierung den Sanierungsstau nur. Sie legt aber noch keine Lösung des Problems der vorhandenen Investitionslücke vor.“
Was wäre wirklich nötig? Der tatsächliche Bedarf der Kliniken liegt bei immerhin 1,5 Milliarden Euro jährlich, das ergab das Investitionsbarometer des RWI - eine Studie, in der 93 Prozent der Kliniken im Krankenhausplan NRW ihre investiven Erfordernisse und Kosten exakt bezifferten. Das wären zwei Schritte vorwärts.
Bisher zahlte die Landesregierung regulär aber nur gut 500 Millionen Euro pro Jahr für die Finanzierung der Investitionen in den Krankenhäusern. Auch mit der anvisierten Erhöhung der Investitionskostenförderung in 2019 um knapp 168 Millionen Euro sowie jeweils rund 200 Millionen Euro in den Jahren 2020 und 2021 kann der tatsächliche Investitionsbedarf der Kliniken nicht annähernd gedeckt werden. Ein zaghafter Gang. Der Sanierungsstau lässt sich damit gewiss noch nicht abbauen, sondern lediglich weiter mildern.
In ihrem Koalitionsvertrag hat die nordrhein-westfälische Landesregierung gleichwohl die Ursache der finanziellen Notlage der 348 Kliniken in NRW klar erkannt: Die Kliniken leiden erheblich unter der unzureichenden Förderung der Investitionen durch die Vorgängerregierungen durch das Land, betonte sie. „NRW braucht eine hochwertige, innovative, flächendeckende und wohnortnahe Krankenhausversorgung“, steht weiter im Koalitionsvertrag völlig korrekt. „Das Land wird seinen Verpflichtungen zur Investitionsfinanzierung besser nachkommen mit dem Ziel, nachhaltig eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.“ So wurde es angekündigt.
Tatsächlich will Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann mit seinen Sonderförderungen Strukturveränderungen erzwingen. Weniger Kliniken, weniger Abteilungen, weniger Kosten, weniger Personalmangel, so scheint sein Credo zu lauten. Ein konkretes Konzept der Umsetzung liegt im Ministerium noch nicht vor. Angekündigt wurde nur, dass die Zahl der Kliniken mit einer Grundversorgung sinken soll und die Anzahl der „mehrfach ohne Notwendigkeit vorgehaltenen Fachabteilungen“ ebenso. Dafür sollen spezialisierte, trägerübergreifende Klinikverbünde künftig die stationäre Grundversorgung in einer jeweils noch zu definierenden Region sichern. Wäre der vorhandene Bedarf damit noch abgesichert?
Völlig außer Acht gelassen wird auf jeden Fall, dass in vielen Regionen die vertragsärztliche Versorgung schon längst nicht mehr sichergestellt werden kann. Für die betroffene Bevölkerung stellen die Krankenhäuser die unverzichtbare Sicherung ihrer medizinischen Versorgung dar.
Minister Laumann will zudem mehr Qualität und noch mehr Effizienz herstellen - wohl wissend, dass schon in den vergangenen zehn Jahren eine enorme Leistungsverdichtung im Krankenhaussektor stattgefunden hat. Seit 2006 sank die Zahl der Kliniken in NRW von 437 auf 348, die Zahl der Patienten stieg derweil von 3,9 auf 4,6 Millionen Patienten und die Verweildauer sank noch weiter von 8,7 auf 7,2 Tage. Dies alles, obwohl Tausende Stellen von Ärzten und Pflegekräften in Krankenhäusern seit vielen Jahren nicht zu besetzen sind. Gleichzeitig ist allen Experten völlig klar, dass in den nächsten Jahren der Bedarf an medizinischen Leistungen deutlich ansteigen wird.
Sicher ist, der von der neuen Landesregierung angestrebte Abbau von Klinikstandorten oder -abteilungen wird die Qualität der stationären Versorgung nicht automatisch verbessern. Patienten werden diese Entwicklung in der nordrhein-westfälischen Krankenhauslandschaft ganz realistisch sehen, nämlich als reine Verknappung ihrer stationären Behandlungsangebote.
Für die Herausforderungen der Zukunft muss die Landesregierung wirksame Krankenhaus-Konzepte erstellen. Eine Debatte über die kostensenkenden Strukturveränderungen kann nicht davon ablenken, dass auch die neue Landesregierung ihren gesetzlichen Verpflichtungen bei Investitionskostenförderung nicht ausreichend nachkommt. Wir brauchen konstruktive Vorsachläge, wie die Förderlücke geschlossen werden kann. Wir warnen eindringlich: Wer aber weiterhin dringend benötige Gelder einspart, gefährdet letztlich nur an Gesundheit der Bevölkerung und der Klinikmitarbeiter.
Für alle künftigen Klinikkonzepte muss gelten, dass die maßgebliche Größe für die Versorgung der medizinische Bedarf der Patienten ist, nicht die fortgeschrittene Ökonomisierung, nicht eine schwarze Null im Haushaltentwurf und auch kein Diktum wirtschaftlicher Kennziffern in den Krankenhäusern. Nordrhein-Westfalen benötigt eine am Bedarf orientierte landesweite regionale Klinikplanung - mit einer besonderen Förderung der Kliniken mit einer Grundversorgung, damit diese sich nicht mehr spezialisieren müssen, um überleben zu können. Noch mehr Spezialisierung ist nicht die Lösung der Finanzierungslücke bei den Investitionskosten.
Klinikfusionen und Klinikverbünde existieren vielerorts bereits, sie als spezialisierte Verbünde umzubauen, hat klare Grenzen, denn zunehmend mehr multimorbide Patienten benötigen tatsächlich Kliniken mit einer Grundversorgung. Höchst sinnvoll wäre es daher, ein finanziell tragfähiges sektorübergreifendes Klinikkonzept zu entwickeln und auszubauen, denn die Kassenärztlichen Vereinigungen können die ambulante Versorgung in vielen Regionen nicht mehr sicherstellen. Und den verantwortlichen Politikern muss klarwerden, dass eine qualitativ gute, personell ausreichend ausgestattete und wohnortnahe Krankenhausstruktur wesentlich mehr Geld erfordert, als bisher den Haushalten bereitgestellt wurde. Das wird vermutlich ein langer und steiniger Weg.