Nicht nur in Bielefeld sind Krankenhaus-Kooperationen ein aktuelles Thema. Um ganze Abteilungen, um Mitarbeiter, Ärzte und Pflegekräfte wird gerungen. „Im Raum Bonn hat die Asklepios-Kinderklinik angekündigt, im Herbst zu schließen, weil die ganze Abteilung der Kinderkardiologie von der Uniklinik Bonn abgeworben wurde. Wer kann in solchen Konflikten neutraler Vermittler sein? Das ist eine Aufgabe für die Ärztekammern“, erklärt Michael Krakau, 2. Vorsitzender des Marburger Bundes NRW-RLP.
Auch im rheinischen Köln ist die Lage hochspannend, berichtet Krakau weiter. Im Jahr 2017 tauchte die Idee der Übernahme der wirtschaftlich defizitären Städtischen Kliniken durch die Uniklinik Köln auf. Von einer „Charité des Westens“ verspricht sich Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker ein medizinisches Forschungszentrum, das die wirtschaftliche Entwicklung in der Region Köln fördern soll. „Wie das gehen soll? Keiner weiß es!“
Die Städtischen Kliniken schreiben seit 2012 erhebliche Defizite, die Stadt Köln hat bereits 120 Millionen Euro zugeschossen. „Das ist nichts ungewöhnlich hierzulande. München investierte 850 Millionen Euro, Bremen 235 Millionen Euro. Warum hat die Uniklinik Köln aber ein so großes Interesse an den Städtischen Kliniken? In Lindenthal gibt es keinen Platz mehr für Erweiterungen. Die neue Kinderklinik wird das letzte neue Gebäude. Man muss also Partner suchen. Vor allem, um eine Chance zu kriegen, medizinische Studien durchzuführen, dafür braucht man einfach viel mehr Patienten“, weiß Michael Krakau.
„Wie die unterschiedlichen Kulturen der Uniklinik samt der dortigen Forschung und eines Grundversorgers mit hochspezialisierten Abteilungen wie der Städtischen Kliniken in Köln zusammengebracht werden soll, hat bisher niemand den besorgten Mitarbeitern beantwortet. Was kommt? Eine Übernahme oder eine Kooperation? Kartellrechtliche Fragen sind nicht geklärt. Im September 2020 haben wir Kommunalwahlen, OB Henriette Reker wird sicherlich wieder kandidieren. Es wird bis dahin viel Bewegung erwartet.“
Den langen Weg zweier diakonischer Krankenhäuser zum Evangelischen Klinikum Bethel (EvKB) in Bielefeld beleuchtete Prof. Dr. med. Thomas Vordemvenne, Kommissarischer Ärztlicher Direktor des EvKB. „Eigentlich sind es sogar drei Kliniken: Gilead, 1870er Jahren gegründet. Das Johannesstift, 1959 erbaut und das Krankenhaus Mara - 1933 eingeweiht. Das ist die gesamte Fusionsmasse. Gilead besteht eigentlich sogar aus vier Häusern.
Das Motiv der Fusion? „Die Sicherung des diakonischen Angebots in der Region und die Nutzung von Synergien.“ Die heutigen Kernzahlen des EvKB sind beeindruckend: 27 chefärztlich geführte Kliniken und Institute, drei Belegkliniken an zwei Standorten. Insgesamt 1.750 Betten, 170.000 Fälle pro Jahr versorgt, 340 Mio. Euro Umsatz, 4.600 Mitarbeiter, mehr als zum Zeitpunkt der Fusion vor 15 Jahren. Und 700 Ausbildungsplätze. Das Evangelische Klinikum Bethel gehört heute zu den drei größten Kliniken in NRW, liegt mit der Bettenzahl unter den zehn größten Kliniken in Deutschland.
Nach der Neuordnung wird investiert: 70 Millionen Euro fließen in ein neues Kinderzentrum. Das Geld kommt vom Träger Bethel. Zudem wird ein Tumor- und Neurozentrum errichtet, beide auf zwei Standorte aufgeteilt. Fazit: „Ohne die Fusion wären wir nicht an der heutigen Stelle als Maximalversorger. Die Fusion hat zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit geführt. Für die Mitarbeiter war es ein harter Weg, aber es hat sich am Ende gelohnt. Das ist der Grundstein für unsere universitäre Ausrichtung. Letzter Makel: Die zwei Standorte des EvKB erzeugen hohe Transportkosten."
Das Evangelischen Klinikum Bethel, das Klinikum Bielefeld und das Klinikum Lippe werden das Universitätsklinikum OWL der Universität Bielefeld bilden. „Einen Monat habe ich gezögert, mir war aber eigentlich sofort klar, es ist eine einmalige historische Chance, die Aufgabe der Gründung der neuen Medizinischen Fakultät Bielefeld zu übernehmen. Hier beschreiten wir einen völlig neuen, herausfordernden Weg in NRW“, erläuterte als weitere Rednerin Prof. Dr. med. Claudia Hornberg, die Gründungsdekanin der Medizinische Fakultät OWL.
„Wir wollen die ambulante Versorgung wieder stärken. In OWL fehlen heute schon viele Hausärzte. Wir nutzen die regionalen Stärken in OWL - es gibt ausgezeichnete, bewährte ärztliche Netzwerke.“ In OWL wird das „Bochumer Model“ gelebt werden, mit drei dezentralen Kliniken. Die Kooperationsverträge wurden unlängst unterzeichnet.
„Heute ist ein historischer Tag, denn heute ist bei uns die erste Bewerbung um einen Studienplatz eingegangen. 48 Erstsemester und 48 Fünftsemester sollen im Wintersemester 2021 ihr Studium an der Universitätsklinik Bielefeld erstmals aufnehmen. 2025 müssen wir mindesten 250 Studenten im ersten Semester aufnehmen. Das ist eine echte Ansage."