Es gebe leider keine zentrale Kundgebung am Tag der Organspende. Corona habe vieles verändert in den letzten Monaten, sagt Theo Windhorst. So fehlten etwa die Transportmöglichkeiten für gespendete Organe per Flugzeug. Aber trotz der hohen Belastungen der Transplantationsteams auf den Intensivstationen der Kliniken, trotz des heftigen staatlichen Eingriffs in die Abläufe an den Krankenhäusern mit zum Teil windigen Finanzierungen und hohen Personalbelastungen sei die Anzahl der Organspenden in den ersten Monaten des Jahres nicht gesunken, sondern lediglich auf einem niedrigen Niveau stehen geblieben.
„Jährlich sterben 1.000 der 9.000 verzweifelt und schwerstkrank Wartenden auf der Organspendeliste. Diese Zahlen können und dürfen uns nicht aus der gesellschaftlichen Verantwortung entlassen. Denn die Botschaft bleibt: Die vom Schicksal Geschlagenen brauchen Hilfe, brauchen gespendete Organe, brauchen den Altruismus.“
Gehle und Windhorst sprechen sich weiterhin dafür aus, per Gesetz die doppelte Widerspruchslösung einzuführen, wonach jeder, der zu Lebzeiten nicht offiziell widersprochen hat, im Falle eines Hirntods ein potenzieller Organspender ist, oder aber seine Hinterbliebenen widersprechen nach seinem Tod.
Bereits Mitte des vorvergangenen Jahres hatte die Kammerversammlung der ÄKWL für die Widerspruchslösung mit Veto-Recht votiert. Bei der Widerspruchslösung habe der Mensch zu Lebzeiten die Freiheit, sich beim Thema Organspende festzulegen und so den Druck von den Angehörigen zu nehmen, nach seinem Tod über eine Organspende entscheiden zu müssen, so Gehle. Diese Lösung rechne nicht mit einem Automatismus bei lebensrettenden Organentnahmen, aber rufe dazu auf, sich mit dem Thema des irreversiblen Hirntods und der Organspende auseinanderzusetzen.
Jeder könne durch Schicksalsschläge zu einem Organempfänger werden, aber nicht allen könne zurzeit geholfen werden. Nur 16 Prozent der Bevölkerung haben laut Windhorst einen Organspendeausweis. „Und bei der Hälfte der potenziellen Organspenden lehnen überforderte Angehörige im Ernstfall eine Transplantation mit der Begründung ab, man habe nie darüber gesprochen und der Wille des Verstorbenen sei den Angehörigen nicht bekannt.“
Für Kammerpräsident Gehle ist mit dem zweiten Gesetz zur Änderung des Transplantationsgesetzes im April des vergangenen Jahres „ein wichtiger Schritt für die Organspende“ erfolgt, da es zur Erleichterung der Arbeit der Transplantationsbeauftragten in den Krankenhäusern beitrage, eine Vereinfachung der Finanzierung mit sich bringe und eine flächendeckende Berichtspflicht potentieller Spender ermögliche. Nun gelte es, durch eine breite gesellschaftliche Diskussion eine Steigerung der Organspendezahlen zu erreichen. „Der Tag der Organspende ist dafür ein wichtiger Tag und gibt Gelegenheit, Danke an die Spenderinnen und Spender, an deren Angehörige und an diejenigen zu sagen, die bereits einen Organspendeausweis ausgefüllt haben.“