• Wir müssen die Kompetenzen und den Umfang der Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde kritisch diskutieren

    Rheinland-pfälzische Kritik an dem Heilpraktikerberuf
    30.August 2017
    Mainz
    „Um einen ausreichenden Schutz der Patienten zu gewährleisten, müssen wir die Kompetenzen und den Umfang der Erlaubnis von Heilpraktikern zur Ausübung der Heilkunde innerhalb des Gesundheitswesens und der Gesundheitspolitik dringend kritisch diskutieren.“ Diese Auffassung vertreten die beiden Präsidenten der Landesärztekammer und der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz Dr. Günther Matheis und Peter Brettle gemeinsam. „Wir warnen davor, die Möglichkeiten von Heilpraktikern zu überschätzen“, betonte Dr. Günther Matheis weiter.

    Um zu einer Prüfung zum Heilpraktiker zugelassen zu werden, muss man keine staatliche Heilpraktiker-Ausbildung durchlaufen. Schulische Voraussetzung ist ein Hauptschulabschluss. In Rheinland-Pfalz müssen Heilpraktikeranwärter im schriftlichen Teil der Überprüfung Fragen im Multiple-Choice-Verfahren beantworten, etwa 75 Prozent davon müssen richtig beantwortet werden. Der mündliche Test findet in der Gruppe statt. Ziel der Überprüfung ist es, dass die Ausübung der Heilkunde durch den Betreffenden keine Gefahr für die Volksgesundheit darstellt.

    „Wir sind der Meinung, dass das Heilpraktikergesetz aus dem Jahre 1939 nicht mehr zeitgemäß ist und im Sinne der Patientensicherheit dringend kritisch hinterfragt werden muss“, sind sich die beiden Kammerpräsidenten einig. „Angesichts der weitreichenden Befugnisse eines Heilpraktikers, die Heilkunde am Menschen ausüben zu dürfen, ist eine Prüfung beim Gesundheitsamt, in der geschaut wird, ob von der Person Gefahren für die Volksgesundheit ausgehen, vollkommen unzureichend.“

    Heilpraktiker unterliegen auch nicht der sogenannten ärztlichen Pflichtentbindung. Dr. med. Günther Matheis: „Bei Ärzten/innen und Psychotherapeuten/innen haben Patienten bei der Behandlung einen rechtlich verbürgten Anspruch darauf, dass die Aufklärungs-, Sorgfalts-, Verschwiegenheits- und Haftungsvorschriften beachtet werden. Heilpraktiker sind keine Pseudo-Ärzte für alternative Medizin“, warnt der Ärztekammerpräsident. „Ärztinnen und Ärzte, die sich naturheilkundlich erfolgreich weitergebildet haben, besitzen die Zusatz-Weiterbildung „Naturheilverfahren“.“

    Peter Brettle, Präsident der Landespsychotherapeutenkammer Rheinland-Pfalz spricht sich insbesondere für die Abschaffung der beschränkten Heilpraktikererlaubnis im Bereich der Psychotherapie aus. Ohne eine psychotherapeutische Ausbildung absolviert haben zu müssen, kann sich jeder zu einer Prüfung zum Heilpraktiker im Teilgebiet Psychotherapie anmelden. Auch hier müssen im schriftlichen Teil einige Multiple-Choice-Fragen beantwortet werden.

    Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten hingegen dürfen ebenso wie Ärztliche Psychotherapeuten nur auf der Grundlage einer Approbation Patienten behandeln. Der Erhalt der Approbation ist mit mehrjährigen Studiengängen (Medizin sechs Jahre mit Staatsexamen; Masterstudium mindestens fünf oder mehr Jahre in Psychologie, Sozialpädagogik oder Pädagogik) und einer mindestens fünfjährigen Weiterbildung zum Facharzt oder bei Psychotherapeuten mit einer zusätzlichen, zumeist fünfjährigen psychotherapeutischen Ausbildung mit staatlicher Abschlussprüfung, verknüpft.

    Die Ausbildungen zum Psychologischen und zum Ärztlichen Psychotherapeuten unterliegen im Interesse der Patienten strengen Qualitätsvorschriften. Psychotherapeuten dürfen nur wissenschaftlich anerkannte Verfahren anwenden, die nachgewiesenermaßen wirksam sind. Das Berufsbild des Psychotherapeuten hebt sich also genauso wie das Berufsbild des Ärztlichen Psychotherapeuten deutlich von der Ausübung der Psychotherapie durch Heilpraktiker mit beliebiger Vorbildung und ohne geregelte Ausbildung ab.

    Auch für Patienten ist das Nebeneinander von „Heilpraktikern für Psychotherapie“ einerseits und Psychologischen und Ärztlichen Psychotherapeuten andererseits sowie deren grundsätzlich unterschiedliche Qualifikation kaum zu durchschauen. „Es besteht die Gefahr, dass die Kompetenz der Heilpraktiker überschätzt wird und eine notwendige wissenschaftlich fundierte Behandlung daher ausbleibt“, sind sich die beiden Kammerpräsidenten Dr. Matheis und Brettle einig.