In diesem Sommer greifen Medien und Politik die uns berührenden Themen der Gesundheitsversorgung auf, wir nehmen daran aktiv teil. Es geht um zu viele oder zu wenige Krankenhäuser (s. Zur Sache von Rudolf Henke), um mehr oder weniger Unikliniken (FAZ), zu viele oder zu wenig Studienplätze (s. Smektala Leserbrief, Seite 10), zu viele Notfallpatienten oder zu viele Notfallaufnahmen (Gesetzesvorhaben BMG), weniger stationäre, mehr ambulante Leistungen oder umgekehrt (Äußerung der KBV, SVR). Themen, bei denen wir, aus ärztlicher Sicht längst Lösungsvorschläge erarbeitet und der Politik vorgeschlagen haben.
Hierbei haben wir Ärztinnen und Ärzte im Marburger Bund anscheinend als Einzige den Blick aus Sicht der Versorgung. Wir weisen immer wieder darauf hin, dass das Hauptziel aller Bemühungen, die den einzelnen im Grundgesetz versicherte Daseinsfürsorge sein muss. (Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs.2 Satz 1 GG), Sozialstaatsprinzip die Pflicht des Staates, ein tragfähiges Gesundheits- und Krankenversicherungssystems zu schaffen. (Art. 20 Abs.1 GG und Art. 28 Abs.1 Satz 1 GG)).
Schon 2009 hat Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe mit dem Thema „Verteilungsgerechtigkeit durch Priorisierung – Patientenwohl in Zeiten der Mangelverwaltung“ weit in die Zukunft geschaut. Wir haben durch den damals vordersten Vertreter des Marburger Bundes, das unbegrenzte Leistungsversprechen bei nur begrenzt durch die Politik zur Verfügung gestellten Mitteln kritisiert.
Nicht Abbau sogenannter Überversorgung, sondern gerechte Versorgung sollte nach Prof. Hoppe damals und nach meiner Meinung auch heute unser Ziel sein. Das wir uns richtig verstehen, es geht nicht um einfaches weiter so, sondern um Lösungen für die Zukunft.
Hierfür brauchen wir zunächst Ethische Kriterien für eine gerechte Versorgung in Zeiten knapper Ressourcen. Ökonomie ist nichts schlechtes, sie muss nur zu verantwortbarer Medizin führen und hier konkret müssen wir ansetzen. Dann brauchen wir eine ehrliche Diskussion, wo die Träume der Wissenschaft – künstliche Intelligenz, Telemedizin u.a. – helfen und wo nicht.
Die Medizin der Zukunft wird innovativer, damit teurer und knapper, denn die finanziellen Mittel werden nicht mitwachsen. Deshalb müssen Innovationen gezielt eingesetzt werden. Medizinisch sinnvolle Innovationen und nicht ökonomisch ertragreiche müssen gefördert werden. Privates Kapital drängt mit Macht in den Gesundheitsmarkt. Hier gilt es, deren Einfluss zu begrenzen.
Aber wir müssen auch auf uns selbst schauen. Welche Rolle werden wir einnehmen? Brauchen wir mehr Arzt oder weniger? Müssen wir die uns zugeschriebene Leitungsfunktion in der Gesundheitsfrage behalten, ja verteidigen? Ich denke ja. Gerade wir Ärztinnen und Ärzte im Marburger Bund sind fähig, ökonomisch unabhängig zu entscheiden. Deshalb sind wir im wahrsten Sinne ein „Freier Beruf“. Wir entscheiden auf Grundlage besonderer beruflicher Qualifikationen. Wir erbringen persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Dienstleistungen höherer Art im Interesse der Patienten und der Allgemeinheit.
Nicht nur diese Unabhängigkeit müssen wir weiter einfordern, sondern auch die Rahmenbedingungen, die uns dies möglich machen, in Tarifstreiks, in den Ärztekammern und gegenüber der Politik. Deshalb ist unser Engagement wichtig. Denken Sie mal darüber nach. Ich jedenfalls freue mich über jede Diskussion auch in der Sommerpause.