Das erste Problem: Die späte Kommunikation und die fehlende Möglichkeit, vor dem GTK-Beschluss die Meinungen der streikenden Ärzte einzuholen. Sicher ein Fehler. Natürlich müssen sich die satzungsmäßigen Gremien damit befassen, deren Sitzung war so kurzfristig angesetzt, um beim Scheitern der Verhandlungen eine direkte Urabstimmung zu beschließen. Ohne Urabstimmung kein Beschluss eines rechtmäßigen unbefristeten Durchsetzungsstreiks. Gut gemeint, aber nicht gut gemacht. Das wird nicht wieder vorkommen.
Das zweite Problem: Es ist das Ziel der Verbesserung beim Schichtdienst aus dem Auge verloren worden und stattdessen eine Regelung an unerwarteter Stelle (Reduktion der Wochenarbeitszeit von 42 auf 40 Stunden) getroffen worden.
Unsere Verhandlungskommission, die in der Mehrheit aus Ärzten der Uniklinika besteht, hat der Verkürzung einstimmig zugestimmt. Es ist eine Forderung, die die Ärzte an Uniklinika schon lange äußern haben. Ja, sie wird erst spät erfüllt, wenn gleichzeitig die direkte elektronische Arbeitszeiterfassung gilt. Sie schafft zu unseren Gunsten eine Beweislastumkehr, wie wir sie schon in BG-Kliniken kennen.
Jede Stunde über 40 ist somit eine echte, nicht zu streichende Überstunde. Genau hier liegt jedoch ein Problem! Nie während Ihrer ganzen Tätigkeitszeit haben die Unikliniken Überstunden anerkannt. Sie wurden gestrichen oder als nicht angekündigt entfernt. Und wer sich wehrte, auf den wurde der Druck erhöht oder das Karriereende angedroht. Keine Vertragsverlängerung gegeben. Und das soll nun alles anders sein?
Ja, aus zweierlei Gründen: Erstens gibt die Regelung uns allen ein sicheres, scharfes Rechtsschwert in die Hand. Wir versprechen Ihnen, wie wir es in unserer Videokonferenz gesagt haben, alles zu tun, um nicht nur die neuen Rahmenbedingungen für eine faire und objektive Arbeitszeiterfassung umzusetzen, sondern auch Ihr individuelles Recht. Wir werden die Umsetzung einfordern. Vor Ort bei den Verantwortlichen, in den Aufsichtsbehörden und in den Ministerien. Wir werden jeden Missstand aufdecken, veröffentlichen oder zur Anzeige bringen.
Zweitens: Entscheidend ist unsere gemeinsame Stärke vor Ort. Es ist eine Vernetzung entstanden, die es noch nie so ausgeprägt gab. Ja, die Reaktionen auf den Tarifabschluss waren deutlicher als sonst. Das ist ein sehr gutes Zeichen. Aus Enttäuschung dem Marburger Bund den Rücken kehren zu wollen, wie manche in den Sozialen Medien angekündigt haben, wäre der falsche Ansatz.
In einem durch und durch demokratisch organisierten Verband kann und muss das Ziel sein, seine Wut zu bündeln und Veränderungen am Arbeitsplatz und im Verband gemeinsam zu bewirken. Wir waren 2005/6 sehr kritische, ständig unzufriedene Streikleiter und auch jetzt als Vorsitzende des Landesverbandes sind wir nicht mit allem zufrieden. Aber gemeinsam haben wir in all den Jahren nicht nur uns von Verdi getrennt, sondern stetig die Arbeitsbedingungen verbessert. Unzufriedenheit ist viel eher ein Grund, im MB aktiv zu werden.
Konstruktive Kritik hilft uns allen. Fordern Sie Verbesserungen. Engagieren Sie sich. Nicht nur in der Tarifpolitik. Unsere Arbeitsbedingungen, unsere Ideale für die Patientenversorgung sind abhängig von den Rahmenbedingungen der Gesundheitspolitik. Die freie ärztliche Entscheidung nur zum Wohle unserer Patienten, der normierte Arztvorbehalt steht auf dem Spiel. Auch hier werden wir unsere Maximalziele nicht erreichen, aber, wenn wir nicht alle aktiv werden, werden wir niemals berufs- und gesundheitspolitische Katastrophen verhindern können.
Der Marburger Bund ist aber nicht nur Gewerkschaft, sondern der Berufsverband aller angestellten und beamteten Ärztinnen und Ärzte in Deutschland. Als solcher vertreten nur wir unsere besonderen Interessen in den Ärztekammern Nordrhein, Westfalen und Rheinland-Pfalz. Unsere Verlässlichkeit haben wir hier oft bewiesen, zuletzt in dem Beschluss der Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein, die erste (Facharzt-) Prüfung vor einem Prüfungsausschuss kostenfrei zu stellen.
Wir müssen nach vorne blicken, in unserem gemeinsamen Interesse: In Nordrhein sind die MB-Wahllisten eingereicht und Mitte Mai werden die Briefwahlunterlagen versandt. In Westfalen beginnt die Suche nach interessierte Kandidaten und Unterstützer. Hier wird im Herbst gewählt. Nutzen Sie Ihr Stimmrecht. Wählen Sie und gestalten Sie Ihre berufsständische Vertretung.