„Im krassen Gegensatz zu diesen öffentlichen Äußerungen wird nun zum Ende Juni unser kinderärztliches Team bei bereits vorhandenen 2.200 Überstunden um mehr als ein Viertel eingekürzt“, äußern sich alle Ärztinnen und Ärzte der Kinderklinik gleichermaßen besorgt wie empört. „Wir warnen vor den weitreichenden Folgen für unsere kleinen Patienten bei der Geburt und im gesamten Einzugsgebiet der Klinik.“
Die Folgen der Stellenkürzungen sind weitreichend. In der Kinderklinik muss in den Nachtdiensten aufgrund der Stellen-Kürzungen nun eine ärztliche Kollegin oder ein Kollege neben der Ambulanz und dem Kreissaal drei Stationen, darunter die Früh- und Neugeborenen-Station, alleine betreuen. „Das ist unverantwortlich.“
Ohnehin seien die Ärztinnen und Ärzte oft zur langandauernden Erstversorgung kritisch kranker Neugeborener, sowie zu allen (Not-)Kaiserschnitten und Risikogeburten persönlich im Kreißsaal anwesend. Während dieser Zeit ist die kinderärztliche Ambulanz künftig nicht mehr besetzt und steht still. „Parallele Notfälle führen zu unlösbaren und schlimmstenfalls lebensbedrohlichen Dilemmata“, warnen die 16 Assistenzärztinnen und -ärzte.
Sie kritisieren zudem, dass die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein seit Anfang Mai die fachärztlichen Sprechstunden des kinderärztlichen Notdienstes um 19 Stunden pro Woche reduziert hat: „Dies führt bei uns unweigerlich zu einer weiteren Mehrbelastung. Aufgrund der vorhandenen Arbeitsbelastung werden wir nicht in der Lage sein, dies auch noch aufzufangen.“
Völlig unverständlich sei, dass die nachweislich vorhandenen Versorgungsengpässe in der kinderärztlichen Versorgung während der Infektionswelle im vergangenen Winter vollständig ignoriert werden. Vier Zimmer der Schulkinderstation sollen zukünftig für Patienten der Wirbelsäulenchirurgie genutzt werden und stehen nicht mehr zur Verfügung.
„Insgesamt entsteht unweigerlich der Eindruck, dass dem Bereich der weniger profitablen kinderärztlichen Versorgung keinerlei Priorität eingeräumt wird. Stellenkürzungen erscheinen willkürlich mit dem alleinigen Zweck, kurzfristig Geld einzusparen“, kritisiert Dr. med. Sven Dreyer, 1. stellvertretender Vorsitzender des Marburger Bundes NRW/RLP, nach einem Gespräch mit betroffenen Kolleginnen und Kollegen.
„Mit einer Reduktion der medizinischen Versorgungkapazitäten lässt sich kein Krankenhaus sanieren. Ein zukunftsfähiges Konzept ist leider nicht erkennbar. Die nicht akzeptablen Kündigungen erfolgten ohne jegliche nachhaltige und zukunftsfähige Stellenkalkulation“, unterstreicht Dr. med. Sven Dreyer.
Die Assistenzärztinnen und -ärzte der Kinderklinik appellieren an das Kuratorium der Krankenhausstiftung, die Stellenkürzungen der Kinderheilkunde am Krankenhaus Porz umgehend rückgängig zu machen. „Niemand darf eine so schwierige Situation eines Krankenhauses auf dem Rücken der kleinsten und wehrlosesten Patienten einer Klinik austragen.“
„Als Marburger Bund NRW/RLP fordern wir darüber hinaus, dass nicht nur die niedergelassenen Kinderärzte, sondern auch die Kinderkliniken sofort entbudgetiert werden müssen. Als nächstes müssen die nicht kostendeckenden Fallpauschalen (DRG) für Kinderkliniken abgeschafft werden. Die Versorgung von Kindern ist immer zeitlich aufwändiger und personalintensiver. Und nach der Herausnahme der Pflegepersonalkosten aus den DRG muss endlich auch das ärztliche Personal direkt refinanziert werden“, betont Dr. med. Sven Dreyer. Fraglich sei ferner, ob von den im Dezember 2022 beschlossenen finanziellen Hilfen für die Pädiatrie und Geburtshilfe die betroffenen Kliniken tatsächlich schon profitieren.