Die künftige Landesregierung in NRW muss die neue Medizinische Fakultät so vernünftig finanziell ausstatten, dass in Bielefeld dauerhaft 200 bis 300 Medizin-Studienplätze geschaffen werden. Ein Schritt in die richtige Richtung ist auch die Errichtung des geplanten neuen Medizin-Campus an der Universität Siegen mit 25 Studienplätzen für Humanmedizin. Unterversorgte Regionen brauchen aber noch viel Geduld, denn erste Fachärzte sind durch neue Fakultäten frühestens zehn bis zwölf Jahre nach ihrer Gründung zu erwarten.
So erfreulich die beiden Fakultätsgründungen sind, das sich weiter verschärfende Problem des Ärztemangels in NRW wird dadurch noch nicht annähernd gelöst, denn durch den medizinischen Fortschritt, die demografische Entwicklung und die bevorstehende Pensionierungswelle wird sich der Bedarf an Ärztinnen und Ärzten hierzulande noch wesentlich vergrößern.
1981 gab es in NRW 3.442 Studienplätze an sieben Fakultäten – heute sind es nur noch 2.206
NRW braucht dringend deutlich mehr Medizin-Studienplätze. Die derzeitigen 2.206 Studienplätze an sieben Fakultäten reichen nicht aus, um den tatsächlichen Bedarf an Ärztinnen und Ärzten heute zu decken. Der Marburger Bund NRW-RLP appelliert an die neue Landesregierung, zusätzlich die Zulassungszahlen an den vorhandenen Fakultäten zu erhöhen und diese entsprechend finanziell auszustatten. Damit können die händeringend gebrauchten Ärztinnen und Ärzte weitaus frühzeitiger ausgebildet werden.
NRW braucht auch noch mehr klinische Studienplätze, um den Teilstudienplatzabsolventen und im Ausland studierenden Landeskindern zu helfen. Mit einer weiteren Aufstockung der klinischen Studienplätze - analog des Mindener oder Siegener Modells - könnte die neue Landesregierung schon in drei bis vier Jahren den Ärztemangel wirkungsvoller bekämpfen.
NRW kann sich durchaus mehr Studienplätze leisten, denn schon in den 80er Jahren gab es zwischen Rhein und Ruhr über 3.400 Studienplätze. Im Semester 1981/82 begannen etwa an der Uni Aachen 445 Studenten das Medizinstudium, 2016/17 sind es nur noch 279. (Bochum: 607/334; Bonn: 449/300; Düsseldorf: 663/406; Duisburg-Essen: 242/225; Köln: 542/378; Münster: 494/284.) Die seinerzeit deutlich höheren Studienplatzzahlen wurden 1990 drastisch zusammengestrichen. Die Konsequenzen spüren wir noch heute. Die neue Landesregierung sollte hier verantwortungsbewusst und weitsichtig handeln und kurzfristig wirkende Maßnahmen ergreifen.
Gute Versorgung braucht gut ausgebildete Ärzte. Dazu muss ein junger Mensch die Möglichkeit haben, sich nach Neigung und Talent und nicht nach Zwang zu qualifizieren. Skeptisch reagiert der Marburger Bund NRW/RLP daher auf die beschlossene „Landarztquote“.
Wir freuen uns über jeden ausgebildeten Arzt, aber der heute in vielen Fachgebieten feststellbare Ärztemangel wird nicht ansatzweise dadurch gelöst, wenn von den zu wenigen Studienplätzen zehn Prozent für Allgemeinärzte in unterversorgten ländlichen Regionen abgezogen werden. Vergessen wird in der öffentlichen Debatte leider zudem, dass Landärzte nicht nur in den Praxen fehlen, sondern auch in den ländlichen Kliniken.
Der Marburger Bund hat lange gefordert, durch den Ausbau und die Einrichtung Allgemeinmedizinischer Lehrstühle an jeder medizinischen Fakultät in NRW die Allgemeinmedizin zu stärken. Hier beschreitet die neue Landesregierung den richtigen Weg. Auch mit den Änderungen der Auswahlkriterien für das Medizinstudium jenseits der Abiturnote und dem weiteren Ausbau der bereits heute bestehenden Förderungen werden richtige und vom Marburger Bund lange geforderte Schritte vollzogen. Allein durch gezielte Maßnahmen der letzten Jahre steigt etwa im Bereich der Ärztekammer Westfalen-Lippe die Zahl der neuen Allgemeinmediziner erfreulicherweise wieder.