In den meisten Ämtern sind ärztliche Stellen seit langem nicht mehr besetzt
„Die aktuelle Umfrage des WDR-Magazins „Westpol“ belegt nochmals eindrücklich, dass in den meisten Gesundheitsämtern in NRW ärztliche Stellen seit langem nicht mehr besetzt sind, weil die Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände (VkA) sich seit Jahren weigert, mit dem Marburger Bund einen Tarifvertrag für Ärzte im ÖGD abzuschließen“, erklärt Dr. med. Hans-Albert Gehle.
„Damit wird der vom Bund und den Ländern vereinbarte Förderungspakt für den ÖGD bewusst unterlaufen. Viele Arztstellen im ÖGD sind seit Jahren nicht mehr besetzt, viele weitere ÖGD-Ärzte gehen bald in Ruhestand. Offene Stellen können aber nur mit einer branchenüblichen Bezahlung und guten, tarifvertraglich abgesicherten Arbeitsbedingungen besetzt werden. Geld ist genug da. Der Bund stellt es zur Verfügung“, betont Gehle.
„In beiden Bundesländern fehlen derzeit mindestens 600 Ärztinnen und Ärzte im ÖGD. Die kommunalen Spitzen stehen jetzt in der Verantwortung, die Vorrausetzungen dafür zu schaffen, dass der dringend benötigte Nachwuchs überhaupt gewonnen werden kann und die unverzichtbaren Ärztinnen und Ärzten im ÖGD faire Arbeitsbedingungen und eine wertschätzende Bezahlung erhalten.“
Corona-Tests können nicht im nötigen Umfang durchgeführt werden
Dr. med. Hans-Albert Gehle warnt ausdrücklich vor den aktuellen Folgen der jahrelangen Fehlentwicklung: „In vielen Gesundheitsämtern in NRW können seit Wochen die Testungen auf das Corona-Virus nicht in dem nötigen Umfang durchgeführt werden, in dem dies eigentlich nach den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) geschehen sollte.“ Die RKI-Empfehlungen lassen keinen Spielraum für Einzelfallentscheidungen oder nur ausgewählte Tests, die laut WDR-Umfrage vielerorts oftmals in der personellen Notlage getroffen würden.
Zudem sei es realitätsfern, die derzeitige Personalausstattung der Gesundheitsämter pauschal und schönfärberisch als „besser als ihr Ruf“ zu kennzeichnen, kritisierte Dr. Hans-Albert Gehle jüngste Äußerungen des Hauptgeschäftsführers des Deutschen Städtetages. „Anstatt die seit Jahren bestehenden personellen Defizite dauerhaft zu lösen, seien nur derartig beschwichtigende Worte zu hören, die den überlasteten Ämtern vor Ort nicht weiterhelfen. In der Bevölkerung sei - gerade angesichts der unzähligen nicht erfolgten Corona-Tests - längst wahrgenommen worden, dass die Gesundheitsämter bei der Kontaktverfolgung und den Versuchen der Eindämmung von Infektionsketten seit Monaten am Limit arbeiten.
Ärzte arbeiten seit 14 Wochen im Dauerdienst – unbezahlte Überstunden
„Seit über 14 Wochen arbeiten die Ärztinnen und Ärzte im ÖGD im Dauerdienst. Da wird noch nicht mal über die Einrichtung von Notdiensten oder die Bezahlung der geleisteten Überstunden gesprochen. Einzelne ÖGD-Ärzte haben in diesem Jahr bereits über 1.200 unbezahlte Überstunden geleistet. Gerade deshalb ist hier ein arztspezifischer Tarifvertrag unumgänglich, denn nur so lassen sich die Arbeitsbedingungen würdig und sachgerecht regeln. Nur, wenn die Gesundheitsämter qualifiziert und personell ausreichend besetzt werden, kann der ÖGD seine unverzichtbaren Aufgaben im Infektionsschutz erfüllen.
„Wir fordern seit Jahren die Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Dazu gehört eine Mindestpersonalausstattung in den Ämtern sowie die Anpassung der ärztlichen Gehälter und Arbeitsbedingungen über verbindliche Tarifverträge an das Niveau und die weitere Entwicklung in anderen Bereichen des Gesundheitswesens“, forderte Dr. med. Hans-Albert Gehle.