Die Ministerien beider Länder sollten sich nicht in die Irre führen lassen. „Auch das durch die Bertelsmann-Studie präsentierte Modell für den Köln-Leverkusener Raum ist keine überzeugende Lösung für die Zukunft. Zwei Drittel der Kliniken im Kölner Raum zu schließen, wäre unverantwortlich. Wer das will, riskiert schlicht Menschenleben. Solange in Krankenhäusern in Nordrhein-Westfalen und in Rheinland-Pfalz quasi Vollbelegung und zudem ambulante Versorgungsengpässe herrschen, sollten beide Landesregierungen lieber echte regionale Krankenhausplanung zum Wohle unserer Bevölkerung betreiben.
„Der vernünftigere Weg ist, die Krankenhäuser trägerübergreifend zu vernetzen, statt sogenannte „Superkrankenhäuser“ zu errichten, für deren Bau Milliardenbeträge benötigt würden, die ohnehin nicht vorhanden sind. Wer soll denn die Kliniken überhaupt betreiben, die laufende Versorgung in den Kostenstrukturen solcher Großkliniken finanzieren? Missachtet wird ferner, schon kleinere Klinikfusionen scheitern an kartellrechtlichen Fragen, wie soll das bei „Superkrankenhäusern“ gelingen?
Die Politik muss vielmehr gesetzliche Hindernisse aus dem Weg schaffen, die die lokale Zusammenarbeit derzeit behindern und bessere Anreize setzen:
• Durch zusätzliche finanzielle Mittel Kooperationen belohnen, statt den Strukturfonds nur als Abwrackprämie defizitärer Kliniken zu verwenden.
• Sowohl Spitzenmedizin in ausgewiesenen Zentren als auch die Normalversorgung in der Fläche kostendeckend zu finanzieren, statt weiterhin falsche Anreize durch das längst abzuschaffende DRG-System zu setzen.
• Durch infrastrukturelle Maßnahmen die Vernetzung zu verbessern, statt bestehende Strukturen schlicht zu zerschlagen.
Höchst bedenklich sei, „dass Prof. Busse in der Bertelsmann-Studie aktuell den Schluss zieht, dass nur ein Drittel aller Krankenhäuser notwendig sind. Er wurde auch vom NRW-Gesundheitsministerium beauftragt, in diesem Sommer ein Gutachten für NRW vorzulegen – dort wird Prof. Busse nichts anderes feststellen“, vermuten Gehle und Krakau.
„Allerdings ist die Begründung der sogenannten Gutachter und Autoren der Studie unwissenschaftlich und falsch. Die Schlussfolgerung der Studie beruhen nicht auf Überlegungen zur Qualitätsverbesserung in der Fläche, sondern auf rein krankenhausökonomischen Überlegungen. Sie sind daher für die Krankenhausplanung in NRW und RLP mit dem Ziel der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Patienten-Versorgung in der Fläche ungeeignet.“ Auch berücksichtige das Gutachten nicht den zukünftigen weit größeren Bedarf an heimatnaher Versorgung geriatrischer Patienten und den morbiditätsbegründeten Bedarf an Krankenhausbetten für die älter werdende Babyboomer-Generation.
Statt den Rat fragwürdiger Gutachter zur Grundlage politischer Entscheidungen zu machen, sollten die Landesregierungen bei der Krankenhausplanung auf die regionalen Kenntnisse der Ärztekammern und Krankenhausgesellschaften sowie des Marburger Bundes zurückgreifen. „Diese Akteure wissen aus täglicher Arbeit, was Patienten tatsächlich benötigen.“
„Die Versorgung von insgesamt über 22 Millionen Einwohner in beiden Ländern darf nicht ökonomisch agierenden Medienunternehmen überlassen werden. Das wäre verantwortungslos. Überfällig ist eine ehrliche Debatte, in der es auch kein Denkverbot gibt, was etwa die Grenzen zwischen den ambulanten und stationären Sektoren betrifft.
Allein die derzeitige Überlastung aller im Gesundheitswesen Arbeitenden, die Fortschritte in der Medizin und der Wunsch nach einer bestmöglichen Versorgung der Menschen zwingt uns zu Veränderungen. Aber einfach die Zahl der Krankenhäuser massiv zu reduzieren und zu glauben, damit wird alles besser, das ist ebenso unverantwortlich wie falsch.“
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Anhang: Klarstellung des Gutachtens durch den Marburger Bund NRW/RP
Die Gesundheitsökonomen der Bertelsmann-Stiftung sollten sich an die Tugenden der Wissenschaft erinnern. Genaue Analysen sind unverzichtbar. Weder die Betten- noch die Krankenhauszahl ist entscheidend für die Qualität.
Falsche Behauptung: Kleine Krankenhäuser machen schlechte Medizin
Wahr: Als positives Beispiel für gute Qualität führen auch die Professoren selber die Endoklinik in Hamburg an. Laut der Autoren der Bertelsmann-Studie ist sie aber mit 256 Betten zu klein - ihre Forderung im Gutachten: mindestens 600 Betten. Außerdem verzichtet der private Betreiber Helios auf die akute Medizin - nicht rentabel. Richtig, auch in kleinen, aber spezialisierten Kliniken kann gute Qualität erreicht werden. Leider wird die akute nichtspezialisierte Versorgung aber nicht kostendeckend vergütet!
Falsche Schlussfolgerung: Weniger Kliniken führen obligat zu einer besseren Versorgung
Beweis: Das Eindampfen der wohnortnahen Versorgung führt zu einer Gefährdung der Patientenversorgung - besonders in regionalen Räumen. Schon heute ist die fachärztliche Behandlung dort nur noch durch die noch vorhandenen Krankenhäuser gesichert. Das ambulante Versorgungssystem allein kann Sie nicht leisten. Bei fast 80 Prozent Bettenauslastung in NRW ist eine massive Reduzierung der Kliniken nur bei Rationierung der Leistung möglich. Damit drohen englische Verhältnisse.
Falsche Vergleiche: Im Ausland ist alles besser durch Krankenhausschließungen
Beweis: Messbare Verbesserungen in Dänemark sind nicht durch Reduzierung der Krankenhäuser oder Betten, sondern durch die Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur erreicht worden: Elektronische Patientenakte, digitale Arzt zu Arzt-Kommunikation, intelligente Patientensteuerung. Verbindung des Rettungsdienstes mit Fachärzten im Krankenhaus.
Richtig ist: eine qualitativ gute Versorgung findet heute in deutlich mehr als 600 Krankenhäusern in Deutschland statt, weil
- die überwiegende Mehrzahl aller Kliniken auf gesichertem Facharztniveau arbeitet, trotz z.T. höchster physischer Beanspruchung aller Mitarbeiter.
- definierte Notfälle und spezielle Krebserkrankungen in spezialisierte Zentren gehören.
- nicht alle häufigen „Volkskrankheiten" bereits beim Erstkontakt einen „Spezialisten“ benötigen - Leitlinien und Telemedizin sichern das fundierte Behandlungsniveau in der Fläche.
Fraglich ist, warum soll ein Krankenhaus ohne Linksherzkatheter schlecht ausgestattet sein, wenn lokal das benachbarte Krankenhaus die kardiologische Versorgung einer Region gewährleistet - an 24 Stunden an 365 Tagen - und das andere Krankenhaus z.B. die Traumaversorgung rund um die Uhr in gemeinsamer trägerübergreifender Kooperation sicherstellt? Statt der Zerschlagung vorhandener funktionierender Klinikstrukturen sollten telemedizinische Kooperationen aufgebaut werden.
Festzuhalten ist, dass große Fachabteilungen über viele Spezialisten in vielen Subdisziplinen verfügen; aber die stehen nicht rund um die Uhr in der Klinik zur Verfügung, insoweit ist auch in großen Kliniken nicht obligatorisch jederzeit der bestqualifizierteste Arzt für die Versorgung verfügbar.
Ein Vergleich mit Gesundheitssystemen in Skandinavien oder den Niederlanden mit starker zentralistischer Struktur leitet fehl, wegen der unvergleichbar schlechteren Arztzugänglichkeit mit langen Wartelisten und der weitgehenden Steuerfinanzierung dieser Systeme.