„Es ist erschreckend, dass angehende Ärztinnen und Ärzte bei ihrem Einstieg in das Krankenhaus so wenig Wertschätzung erhalten. In einer Zeit des Ärztemangels wird ärztlicher Nachwuchs dringend benötigt. Sie sollten die gebotene faire finanzielle Wertschätzung und eine patientennahe strukturierte Ausbildung erhalten. Derzeit ist die Realität für PJ´ler aber meist noch weit davon entfernt“, betonen Gehle und Hornung.
„Über 90 Prozent unserer befragten PJ`ler beklagen, dass sie acht Stunden und länger in der Klinik tätig sind, sie aber von der PJ-Vergütung alleine ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können“, sagt Thorsten Hornung weiter. Er zitiert einen O-Ton eines Befragten: „Wer keine gutverdienenden Eltern oder ein Stipendium hat, muss noch nebenher arbeiten.“
„Das darf nicht sein. Unser Ruf nach fairer Bezahlung muss endlich erhört werden“, mahnt Hans-Albert Gehle. Die Daten sind im Einzelnen sogar noch alarmierender: „74 Prozent der befragten PJ´ler erhalten weniger als 400 Euro im Monat, 22 Prozent weniger als 300 Euro, zehn Prozent weniger als 200 Euro und drei Prozent gar kein Geld. Da jeder vierte PJ´ler zudem noch seine tägliche Verpflegung verrechnet bekommt, schmälert sich das monatlich zur Verfügung stehende Salär dieser PJ´ler sogar noch weiter“, erläutern Gehle und Hornung die Umfrageergebnisse. Kostenfreie Unterkünfte und Fahrtkostenzuschüsse der Kliniken erhalten lediglich 13 Prozent der befragten PJ´ler in NRW und RLP.
„Unser Fazit: PJ´ler werden während ihres Praktischen Jahres allzu oft als billige Hilfskräfte ausgebeutet. Während etwa Referendare anderer akademischer Berufe wie Lehramtsanwärter oder Juristen monatlich mindestens 1.100 bis 1.200 Euro erhalten, ist die Vergütung für angehende Ärzte im Praktischen Jahr völlig unzureichend“, betonen Gehle und Hornung. „Deshalb haben wir auf dem 121. Deutschen Ärztetag in Erfurt jüngst einen Beschluss eingereicht, der eine Vergütung der PJ´ler mit 1.500 Euro im Monat vorsieht.“
Angesichts dieser miserablen Vergütung verwundert es nicht, dass über 55 Prozent der PJ´ler angeben, sie müssten ihren Lebensunterhalt durch eine nichtärztliche Nebentätigkeit bestreiten. „Dadurch erleiden sie aber eine unverantwortliche Benachteiligung ihrer ärztlichen Ausbildungschancen. 25 Prozent können durch Nacht- oder Wochenenddienste in der Pflege in der Klinik dazuverdienen. Aber, sieht so eine angemessene Wertschätzung unseres händeringend in der Krankenversorgung benötigten Nachwuchses aus? Doch wohl kaum!“, betont Thorsten Hornung.
Auch die Kritik der PJ´ler an ihren Tätigkeiten im Praktischen Jahr ist sehr deutlich ausgefallen: „Nahezu alle PJ´ler betonen, dass sie in personell unterbesetzten Kliniken primär zur Patientenaufnahme, zum Blutabnehmen oder zum Hakenhalten im OP eingesetzt werden. Vereinbarte Seminare fallen ständig aus, es mangele an strukturierten Schulungen, wird unisono kritisiert. O-Ton: „Wir sind im Klinikalltag einfach nur billige Arbeitskräfte!“
„Immer wieder wird beklagt, dass ein festes Curriculum mit klaren Ausbildungszielen und eine Klarstellung, welche praktische Fähigkeiten unter Aufsicht durchgeführt werden dürfen, fehlt. Gefordert wird eine bessere Betreuung durch erfahrene Ärzte und die wirkliche Einbindung in den Stationsalltag. O-Ton: „Der Wille der Ärzte ist durchaus vorhanden, aber da ein Mangel an Ärzten und hoher ökonomischer Druck besteht, hat kaum ein Arzt Zeit für die Lehre, die wir brauchen.“
Für PJ´ler sollte es speziell geschultes und freigestelltes Personal geben. O-Ton: „Wir wünschen uns eine bessere praktische Ausbildung und mehr Zeit der Ärzte.“ Alle Befragten haben ferner ein verpflichtendes hausärztliches Quartal strikt abgelehnt. PJ´ler fordern mehr Verantwortung und eine bessere digitale Ausstattung in den Kliniken.
Hinweis: Der Marburger Bund NRW/RLP veranstaltet am 21. Juni in Köln das Symposium „Faire Vergütung im Praktischen Jahr“. Mit abgestimmten Forderungen werden wir danach die Politik und Krankenhäuser in die Pflicht nehmen.
Nähere Infos: www.marburger-bund.net - Rubrik Termine